geb. 18.12.1913 - gest. 8.10.1992
Als ich vor einigen Wochen bei der Post Briefmarken kaufte, hat mich die Angestellte gefragt, ob ich mit Weihnachtsmotiv oder Willy-Brandt- Sonderbriefmarken haben möchte. Ich entschied mich spontan für die W.B.-Briefmarken. Holte mir erst gestern noch 10 Marken für meine Weihnachtspost.
Willy Brandt wäre jetzt hundert Jahre alt geworden. Der in Lübeck geborene Herbert Frahm begann schon in seiner Jugend sich intensiv für Politik zu interessieren und trat 1930 in die SPD, die er ein Jahr später aber wieder verliess und sich der SAP anschloss. Brandt - strikter Gegner des Nationalsozialismus, kehrte 1933 Deutschland den Rücken und kämpfte von Norwegen aus gegen das Nazi-Regime Deutschlands.
Von Deutschland noch vor dem zweiten Weltkrieg ausgebürgert, befand sich Frahm 3 Monate illegal in Berlin, nahm den Decknamen Willy Brandt an und hatte Kontakte zur SAP (Sozialistische Arbeiterpartei). Er nahm 1940 die norwegische Staatsbürgerschaft an und gründete ein Pressebüro und hielt sich mit Zeitungsartikeln für die linke norwegische Presse durch. Brandt ist für weiterhin für die SAP aktiv und reist nach Holland, Grossbritannien, Frankreich und Spanien. Fast wäre er verhaftet und nach Deutschland ausgeliefert worden.
Nach dem II. Weltkrieg, im November 1945, ist er nach langer Zeit zum ersten Mal wieder in Deutschland, um als Korrespondent des "Arbeiterbladet" über den Kriegsverbrecherprozess in Nürnberg zu berichten.
Brandt erhält 1948 seine deutsche Staatsangehörigkeit zurück, trat wieder in die SPD ein und sein Aufstieg in der Politik begann in Berlin. Zuerst als regierender Bürgermeister in Berlin zu Zeiten des Mauerbaus, später, in der Koalition mit der FDP, 1969 als Bundeskanzler.
Der politische Kurs Wandel durch Annäherung, ist eindeutig Willy Brands Verdienst. Ihm lag wie kein Bundeskanzler vor ihm, eine Aussöhnung mit den Völkern Osteuropas. Der Kniefall vor dem Denkmal der Helden des Warschauer Ghettos war eine Geste der Demut, des Respekts und das Bild prägt sich auch für kommende Generationen ein. Da bin ich mir ganz sicher. Der Platz des historischen Kniefalls heisst heute übrigens Skwer Willy'ego Brandta (Willy-Brandt-Platz). Diese Benennung zeigt ganz deutlich die Hochachtung, die man Willy Brandt in Polen entgegenbringt.
Damals stand im Spiegel:
"..für das Verbrechen nicht mitverantwortliche, damals nicht dabeigewesene Mann nun dennoch auf eigenes Betreiben seinen Weg durchs ehemalige Warschauer Ghetto nimmt und dort niederkniet – dann kniet er da also nicht um seinetwillen. Dann kniet er, der das nicht nötig hat, da für alle, die es nötig haben, aber nicht da knien – weil sie es nicht wagen oder nicht können oder nicht wagen können. Dann bekennt er sich zu einer Schuld, an der er selber nicht zu tragen hat, und bittet um eine Vergebung, derer er selber nicht bedarf. Dann kniet er da für Deutschland."
Brandt sagte selber später dazu: "Ich hatte das Empfinden, ein Neigen des Kopfes genügt nicht."
Willy Brandt bekam 1971 für sein Wirken der Völkerverständigung den Friedensnobelpreis. Ich kenne kaum jemanden, der ihn mehr verdient hätte als er. Im Gegenteil, mir sind mehr Leute bekannt, bei denen sich herausgestellt hat, dass man ihnen diesen Preis aberkennen sollte.
"Wir wollen mehr Demokratie wagen" - Auch dieses Zitat ging in die Geschichtsbücher ein. Es sprach es einer Zeit, in der er erkannte, dass innenpolitische Reformen unumgänglich waren.
Wir DDR-Bürger haben Willy Brandt für seine Annäherungspolitik geliebt. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass wir ihm immer ein grandioses Wahlergebnis beschert hätten und habe heute noch, nach über 4 Jahrzehnten, im Ohr: "Willy Brandt ans Fenster, Willy Brandt ans Fenster." - Das war in Erfurt 1970. Die Bemühungen um Erleichterungen für die Bevölkerung gingen von ihm aus - nicht von seinen Gegnern, die seinen Entspannungskurs zu der Zeit nicht mitgetragen haben.
Der sozialdemokratische Nachfolger Brandts verfolgte mit Aufrüstung eher den Abschreckungskurs. Also völlig gegenteilig von dem, was Willy Brandt wollte.
Willy wählen - so lautete das Motto der frühen Siebziger. Und es war das beste Wahlergebnis für die SPD überhaupt - 45,8%. Das war danach nie wieder der Fall.
Der deutsch-deutsche Spionagefall (Günter Guillaume) brachte Brandt 1974 dazu zurückzutreten. Die Enttäuschung muss überaus gross gewesen sein, als er erkennen musste, dass einer seiner vertrautesten Mitarbeiter - denn das Paar Guillaume begleitete Familie Brandt auch auf privaten Reisen - ihn für die Stasi ausspionierte. Der DDR-Führung lag kein Interesse daran, Brandt zu stürzen. Vielleicht spielten auch private Gründe mit eine Rolle, warum Willy Brandt seinen Rücktritt erklärte.