Excubitor hat geschrieben:Das von mir angebotene wissenschaftliche Erklärungsmuster beinhaltet keine Entschuldigung für gewaltgeneigtes Verhalten, im Gegenteil: Die lerngesteuerte Modofikationsmöglichkeit des menschlichen Verhaltens beinhaltet ja gerade auch die von Dir, Alex, angeführte Kontrollmöglichkeit. Doch Du (wie sicher auch viele andere hier) wirst Dir sicher aus eigenen Erfahrungen ein Bild darüber machen können, wie leicht ein Mensch die Kontrolle verlieren kann und sein im wesentlichen sog. präfrontaler Kortex (das im wesentlichen zuständige Hirnarreal) ihm den Dienst versagt. Wut, Zorn, emotionale Erregung anderer Art, Alkoholeinfluss, andere Drogen, Medikamente, sogar starke Müdigkeit, etc., sind alles gewichtige Einflussmöglichkeiten, die die Kontrolle temporär oder längerfristig durchaus bis zum Erliegen bringen können...
Einen Kontrollverlust kann grundsätzlich jeder von uns erleiden. Verantwortlich dafür ist in jedem Fall der, welcher diesen fahrlässig oder vorsätzlich selbst herbeigeführt hat. Nur bei zweifelfrei unverschuldetem Kotrollverlust kann auch ein sowohl strafrechtlich als auch ethisch-moralisch entschuldigtes Verhalten gegeben sein...
Der Mensch ist zwar nicht von grundauf böse, jedoch je nach den persönlichen Lebensumständen zu ausnahmslos jedem Bösen grundsätzlich fähig...
Deshalb benötigen wir auch keinerlei Thesen über irgendein abstruses übernatürliches Böses als solches, das letztlich doch nur als (inakzeptabler) Entschuldigungsgrund für menschliches Fehleverhalten der übelsten Sorte verwendet wird...
Die "persönlichen Lebensumstände" können keine Entschuldigung für Gewalttaten sein, jedenfalls nicht in einem Sozialstaat, in dem keine denkbaren persönlichen Lebensumstände eine existentielle Bedrohung mit sich bringen können.
Ich persönlich glaube, dass fast alle Gewalttaten eine misanthrophische bis menschenverachtende Grundeinstellung voraussetzen, sozusagen ein meist gehemmter, aber manchmal zu Tage tretender Basiswille, anderen Menschen Schaden zuzufügen.
Natürlich gibt es Ausnahmen, die diese Regel bestätigen. Unter Alkohol- oder Drogeneinfluss kann es auch zu Gewaltausbrüchen bei Menschen kommen, die das grundsätzlich nicht wollen und sich das auch selbst nicht zugetraut hätten. Manche Vorfälle sind insofern aber schwierig einzuordnen, hier ein Beispiel dafür:
Richter lief bei Sommerfest in Halle Amok
VON Steffen Reichert, 20.06.03, 20:45h, aktualisiert 19.05.04, 14:28h
(...)
Bei dem Fest, das bereits am 5. Juni wetterbedingt im Hochsicherheitssaal des Justizzentrums stattfand, soll Stefan P., ein 40-jähriger Zivilrichter am Landgericht, im alkoholisierten Zustand zunächst mehrere Frauen belästigt haben. Schließlich habe er eine Richterin auf der Tanzfläche belästigt, die sich jedoch von ihm abwandte. Nach übereinstimmenden Aussagen mehrerer Augenzeugen hat der Richter seine Kollegin daraufhin unter anderem als "Ostschlampe" beschimpft. Der Geschäftsleiter des Verwaltungsgerichts und ein Rechtsanwalt, die die Juristin schützen wollten, seien daraufhin von ihm attackiert worden. Der Geschäftsleiter soll nach einem Schlag in eine Scheibe getaumelt sein, der Anwalt mit einem Glas Bier übergossen und in den Unterleib getreten worden sein.
In völliger Ekstase habe der angreifende Richter vor den Augen der Öffentlichkeit, darunter mehreren anwesenden Bundesrichtern, seine anwesenden Kollegen lautstark als "Scheiß Ossis" beschimpft. Da es den Teilnehmern nicht gelungen sei, den Richter zu überwältigen, soll er dem Vernehmen nach schließlich von einem Justizwachtmeister mit einem Spezialgriff ruhig gestellt und anschließend in eine Zelle gesperrt worden sein. Seitdem wird in Justizkreisen heftig diskutiert, welche Konsequenzen das Verhalten des Richters haben könnte. Gemutmaßt wird, dass er bei einem Verbleib im Dienst künftig permanent mit Befangenheitsanträgen überzogen wird, weil er seine Einstellung gegenüber Ostdeutschen klar bekundet hatte.
(...)
Quelle:
mz-web.de