Jetzt verzögert Scholz auch die Lieferung rein defensiver Waffen für Kiewhttps://www.welt.de/politik/ausland/plu ... raine.htmlStand: 22.07.2022 | Lesedauer: 4 Minuten
Von Klaus Geiger, Gregor Schwunghttps://img.welt.de/img/politik/ausland ... rlin-2.jpgDie Ukraine dürfe bestellen und Deutschland werde bezahlen, versprach die Bundesregierung. Nun will Kiew Iris-Luftabwehrsysteme von der deutschen Industrie kaufen. Wie WELT AM SONNTAG erfuhr, lässt der Bundeskanzler den Antrag aber seit drei Wochen unbeantwortet.Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) verzögert offenbar eine milliardenschwere Lieferung rein defensiver Waffen an die Ukraine. Wie WELT AM SONNTAG von mehreren mit dem Vorgang vertrauten Personen erfuhr, möchte Kiew insgesamt elf Luftabwehrsysteme vom Typ Iris-T SLM kaufen. Bereits eine einzige dieser hochmodernen Abwehrwaffen kann eine Großstadt gegen Angriffe aus der Luft schützen.
Der notwendige Antrag für eine Exportgenehmigung wurde laut ukrainischen Regierungskreisen Anfang Juli beim zuständigen Bundeswirtschaftsministerium eingereicht. Wie bei allen Waffenexporten liegt die Entscheidung über die Genehmigung aber beim Bundessicherheitsrat, in dem das Kanzleramt federführend ist. Das letzte Wort hat also immer Olaf Scholz.
Das Wirtschaftsministerium von Robert Habeck (Grüne) habe gegenüber der Ukraine „positiv“ auf das Anliegen reagiert, hieß es aus den Kiewer Regierungskreisen. Ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums teilte auf Anfrage mit, dass „aus Sicherheitsgründen keine Details über Antrags-, Genehmigungs-, Prüf- und sonstige Entscheidungsverfahren mitgeteilt werden“ könnten.
Eine Entscheidung jedenfalls wurde in den drei Wochen seit Eingang des Antrags nicht gefällt.Schon in den vergangenen Monaten hatte Habecks Ministerium ähnliche Exportanträge der Ukraine stets umgehend an den Bundessicherheitsrat weitergeleitet. Das geheim tagende Gremium, dem neun Minister angehören, die mit Außen- und Sicherheitspolitik befasst sind, stimmte in allen Fällen entweder nicht oder nur sehr zögerlich zu.
Mit Blick auf die elf Iris-Systeme bat die Ukraine die Bundesregierung auch um finanzielle Unterstützung, hieß es weiter aus den Kiewer Regierungskreisen. Diese Hilfe „zögere“ die Bundesregierung demnach aber hinaus. Eines der Systeme soll rund 140 Millionen Euro kosten – für elf Stück wären also gut 1,5 Milliarden Euro fällig. Die Ukraine will die Waffen direkt beim baden-württembergischen Rüstungskonzern Diehl Defense einkaufen.
Auf Anfrage teilte eine Regierungssprecherin mit, der Bundessicherheitsrat tage geheim, „deshalb können hier keine Auskünfte erteilt werden. Zu laufenden Abstimmungen mit anderen Staaten äußern wir uns grundsätzlich nicht.“
Das System Iris-T SLM gilt als eines der modernsten und teuersten Flugabwehrsysteme überhaupt. Anfang Juni hatte Scholz der Ukraine bereits die Lieferung eines Exemplars für die „kommenden Wochen“ zugesagt. Inzwischen stellt die Bundesregierung dies erst bis Ende des Jahres in Aussicht, wie WELT AM SONNTAG außerdem aus ukrainischen Regierungskreisen erfuhr. „Die Worte des Kanzlers stehen für sich“, teilte eine Regierungssprecherin auf Anfrage lediglich mit.
Scholz hatte in einer Regierungserklärung Anfang Juni gesagt, mit dem Iris-System versetze Deutschland „die Ukraine in die Lage, eine ganze Großstadt vor russischen Luftangriffen zu schützen“. Kiew fordert schon lange die Lieferung von Flugabwehrsystemen aus dem Westen, nachdem die Rufe nach einer Flugverbotszone zu Beginn des Krieges ungehört blieben.
Das Iris-System kann Kampfjets, Hubschrauber und Drohnen im Radius von 40 Kilometern und einer Höhe von 25 Kilometern abwehren. Aber auch Kurzstreckenraketen und Lenkflugkörper, mit denen Russland derzeit ukrainische Städte bombardiert, können abgefangen werden. Es besteht aus einem Ortungsradar, einem Kontrollzentrum, einer Abschussrampe und den dazugehörigen 24 infrarotgesteuerten Raketen.
Was die Finanzierung angeht, so bittet die Ukraine konkret um Geld aus der sogenannten Ertüchtigungshilfe der Bundesregierung. Dieses spezielle Budget im Bundeshaushalt wurde 2016 eingerichtet, um den Irak, Jordanien, Tunesien, Mali und Nigeria bei der Ausstattung ihrer Armeen zu unterstützen.
Mitte April hatte die Bundesregierung das Budget auf zwei Milliarden Euro aufgestockt und in Aussicht gestellt, dass ein Großteil der Ukraine zugutekommen würde. Parallel stellte die EU 2,5 Milliarden Euro für Mitgliedstaaten zur Verfügung, damit diese die Ukraine bei der direkten Beschaffung von Waffen bei der Industrie unterstützen können.
Bisher zahlt Kiew selbstEnde April versprach Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD), genau dies zu tun. Da man Kiew aus Beständen der Bundeswehr nichts mehr liefern könne, werde man stattdessen direkte Lieferungen der Industrie an die Ukraine unterstützen. „Die Ukraine bestellt und Deutschland bezahlt“, sagte die Ministerin damals.
Bisher ist aber kein einziger Fall bekannt, in dem die Bundesregierung für fabrikneue deutsche Waffen bezahlt hätte. Angesichts der Untätigkeit der Bundesregierung kaufte die Ukraine selbst rund 8000 Panzerabwehrwaffen bei deutschen Herstellern. Die Kosten trägt Kiew bisher komplett selbst.
Die fehlenden Zusagen für Finanzierung und Export dürfte die Lieferung der Iris-Systeme laut ukrainischen Angaben verzögern. Der Hersteller könne erst mit der Produktion beginnen, wenn die Bundesregierung in beiden Fragen grünes Licht gegeben habe.
Für die gesamte Lieferung sei derzeit ein Zeitraum von vier bis fünf Jahren im Gespräch. Das erste der elf bestellten Iris-T-Systeme könne zusammen mit dem bereits von Scholz zugesagten Exemplar schon bis Ende des Jahres geliefert werden. Für das kommende Jahr sei man über die Lieferung einer „kleineren Anzahl“ im Gespräch, ist von ukrainischer Seite zu hören.
Dies würde jedoch unweigerlich ein Problem für das Kanzleramt nach sich ziehen: Die jährliche Produktionskapazität von Diehl ist begrenzt, weshalb der Hersteller eine neue Priorisierung seiner Kunden vornehmen müsste. Denn am 7. Dezember 2021, dem letzten Tag der großen Koalition von Angela Merkel, genehmigte diese mehrere Rüstungsexporte – darunter 16 Iris-T-Systeme für Ägypten.
LesermeinungenCarsten B.
vor 7 Minuten
Ich schäme mich dafür, dass Scholz diese Lieferung verzögert. Besonders für diese unaufrichtige, linkische Art, nicht mal eine Begründung dafür zu liefern. So ein Politikstil ist toxisch für eine Gesellschaft.
Ich würde es begrüßen, wenn die Grünen und die FDP dieses Verhalten thematisieren und die Koalitionsfrage stellen würden.
Politicus
vor 15 Minuten
Scholz.... er kann es einfach nicht. Er war schon mit Hamburg überfordert. Seine Politik des Verzögerns dient lediglich russischen Interessen während in der Ukraine Menschen deswegen sterben. Unsagbar, was diese Verlierertruppe von Regierung gerade veranstaltet.
Thomas W.
vor 23 Minuten
Es ist schlicht und ergreifend furchtbar dieser Eiertanz unserer Regierung und der dazugehörigen Parteien. Das Ansehen unseres Landes im Ausland verschlechtert sich immer mehr. Was hat Scholz vor?
Meico S.
vor 35 Minuten
Ich kann das Zögern gut verstehen. Die Gefahr ist groß, dass eines oder mehrere dieser Systeme in russische Hände gelangen. Der Gegner dürfte großes Interesse an den Details dieser Technologie haben.
ulf W.
vor 4 Stunden
Warum ist für die Ukraine Geld in Milliardenhöhe da? Für die eigenen Bürger hat Habeck aber angekündigt, das die Hälfte der Haushalte ihre Energiekosten nicht mehr zahlen kann?