Noch etwas aus der Wissenschaft:
Theorien zum Erwerb und den Ursachen aggressiven Verhaltens
Wer die Hand als Erster zum Schlag erhebt,
gibt zu, dass ihm die Ideen ausgegangen sind.
Franklin D. Roosevelt
In einem Gespräch mit ZEIT online vom 18.8.2011 sagt der Neuropsychologe Thomas Elbert, dass manche Menschen Spaß an Gewalt empfinden. Er ist überzeugt, dass der Mensch darauf ausgelegt ist, Gewalt auszuüben. "Menschen können Menschen töten, und in primitiven Kulturen tun sie das auch. Die Untersuchungen steinzeitlicher Kulturen zeigen, dass die Hälfte aller Männer erschlagen worden ist. Und von unserer genetischen Zusammensetzung sind wir nicht großartig anders als der Steinzeitmensch. Die Bereitschaft zu töten, war damals keine psychopathologische Variante, die selten auftritt. Es war die Regel." Im Gegensatz zu manchen Säugetieren hat der Mensch keine dieser intraspezifischen Tötungshemmungen, denn er stammt ursprünglich von Vegetariern ab und ist erst zum Jäger geworden, d.h., ein Tier mit einem Knüppel, einem Stein oder Speer zu erlegen, musste er lernen. Die Jagd wurde dabei evolutionär psychisch positiv besetzt, dass sie auch Spaß macht, wenn es nicht bloß um die Kalorienaufnahme geht. Auf einer etwa 5000 Jahre alten Schminkpalette des ägyptischen Königs Narmer sieht man, wie er mit einer Keule auf einen Menschen einschlägt. Die Bibel schildert gehäuft Gewaltakte, vor allem im Alten Testament. Schon in der ersten Familie gab es einen Mord: Kain erschlug Abel. Indem der Staat im Laufe der Menschheitsentwicklung immer mehr das Gewaltmonopol übernahm und extreme Gewalt (z.B. Körperverletzung) unter Strafe stellte, wurde ein zivilisierter Umgang der Menschen untereinander angestrebt. Dass dies nur zum Teil gelungen ist, zeigt deutlich, wie brüchig offenbar das zivilisatorische Fundament ist. Dennoch ist festzustellen, dass Gewalt kein neuartiges Phänomen, kein spezielles Phänomen unserer Zeit ist, auch wenn sich die Formen - entsprechend den jeweiligen historischen Rahmenbedingungen möglicherweise verändert haben. Eine Dramatisierung heutiger Gewalt würde jedoch die Gewalt zu früheren Zeiten leicht verharmlosen. Im Unterschied zu früher werden aber die Gewalthandlungen durch die Massenmedien als ständig präsentes Gewaltphänomen viel stärker ins Bewusstsein gerückt. Hinzu kommt, dass durch die öffentliche Thematisierung von Gewalt in den letzten Jahren auch eine Sensibilisierung für Gewaltphänomene eingetreten ist, so dass wir es mit einer veränderten, geschärften Wahrnehmung von Gewalt zu tun haben.
Es lassen sich grundsätzlich zwei Formen der Aggression (vgl. Boppel 2002) unterscheiden:
Die Selbsterhaltungsaggression betrifft angeborene Verhaltensweisen, wie sie sich durch Selektion und Mutation in der Evolution herausgebildet haben. Sie dienen der Selbst- und Revierverteidigung, der Fortpflanzung, der Nahrungsaufnahme, der Lust-Freude-Beschaffung, der Ermittlung der Rangposition und der eigenen Grenzen sowie dem Erreichen und Erhalten von Sicherheit, Selbstwertgefühl und des Selbststolzes (sog. gesunder Narzissmus). Diese Form der Aggression dient im evolutiven Prozess dazu, die Lebensressourcen zu erhalten und zu erweitern.
Die destruktive Aggression dagegen betrifft schädigendes Verhalten mit dem Zweck, durch Leidzufügung materiellen Gewinn, soziale Anerkennung und Macht, innere Befriedigung oder Stimulation zu erzielen. Dabei wird langfristig ein evolutiver Sinn nicht erkennbar, im Gegenteil: Erhaltenswerte und lebenswichtige Ressourcen werden vernichtet, soziale Probleme werden nicht nur nicht gelöst, vielmehr werden Gewalt-Gegengewalt-Zirkelprozesse ausgelöst. Solchen destruktiven Prozessen stehen normalerweise innerartliche Tötungshemmungen, evolutiv herausgebildete Altruismusmechanismen, Empathie, kulturelle Mechanismen (wie Moral und Gewissensbildung) sowie günstige Sozialisationsbedingungen entgegen, die allerdings unter definierten Bedingungen außer Kraft gesetzt werden können.
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http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at ... sion.shtml