Kritik am Bundesverfassungsgericht

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Kritik am Bundesverfassungsgericht

Beitragvon AlexRE » Mo 18. Jul 2011, 10:56

Eine so scharfe Kritik am BVerfG habe ich aus mainstream - Medien bislang noch nicht vernommen:

Über die Schuldenkrise der Euro-Staaten ist längst auch die parlamentarische Demokratie ins Gerede gekommen. Unter anderem deshalb, weil Bundesregierung, Bundestag und der Bundespräsident die Milliardenhilfen für Griechenland im Frühjahr 2010 in nicht einmal vier Wochen auf den Weg brachten. Für die Erhöhung des Hartz-IV-Regelsatzes um fünf Euro rangen Union und SPD immerhin ganze fünf Monate miteinander, zuweilen bis in die tiefe Nacht hinein. Viele Bürger haben das nicht vergessen.

Die Kläger kritisieren, dass das Bundesverfassungsgericht ein politisches Urteil im Sinne der Regierung anstrebe. Nun gerät über die EU-Schuldenkrise aber auch noch das Bundesverfassungsgericht als Hüter der Demokratie in die Kritik. Es geht um die Frage, ob das höchste deutsche Gericht seiner Rolle als Verfassungshüter noch gerecht wird oder nicht. Anlass dieser Kritik ist eine jener 15 vom Verfassungsgericht angenommenen Klagen gegen den Euro-Stabilisierungsmechanismus und die Griechenland-Hilfe.


Quelle: welt.de

Auf dem Forum politikarena.de gibt es einen thread dazu. Dort habe ich heute geschrieben:

Alarich hat geschrieben:Wenn es zur Pleite der Griechen und vielleicht noch Italiens kommt, kann man realistisch mit einer hohen Geldentwertung und einem Anstieg der Arbeitslosigkeit rechnen. Dann - darauf kannst Du Dich verlassen - hat jeder Hartz IV-Empfänger noch viel weniger als jetzt.


Wieso? Diese Länder sind doch nur Teile eines Wirtschafts- und Währungsraumes. Die 40.000 Insolvenzen jährlich in Deutschland berühren die Stabilität der Währung ja auch nicht.

Im Falle einer geordneten Staatsinsolvenz verlieren nur Gläubiger ihr Geld. Die Inhaber von Schuldverschreibungen wirtschaftlich schwacher Staaten haben sich für das Risiko, das sich dann verwirklicht, aber auch sehr gut bezahlen lassen. Die Zinssätze richten sich schließlich nach den Bewertungen der Ratingagenturen.

Warum sollten die Steuerzahler der wirtschaftlich stärkeren Länder die Risiken auffangen, für deren Eingehung die Kapitalbesitzer hohe Zinsen kassiert haben?

Das dient keinen gesamtwirtschaftlichen, sondern nur lobbystarken Einzelinteressen. Die werden von der Politik bedient und das BVerfG winkt das Ganze durch. Die Richter sind aber auch alle nach Parteibuchproporz von den führenden Parteibuchseilschaftern ausgesucht worden und letztendlich Teil der politischen Klasse.

Den ordnungsliebenden Deutschen erscheint das Gericht aber als eine Art Bollwerk gegen pflichtvergessene Politiker und damit als Garant einer funktionierenden Ordnung. Für die meisten Deutschen kann einfach nicht sein, was nicht sein darf.
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Ich trete überall, wo das notwendig ist, der Meinung entgegen, der Umstand, dass die Diktatur zu allem fähig war, berechtige dazu, die Demokratie zu allem unfähig zu machen.
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Re: Kritik am Bundesverfassungsgericht

Beitragvon AlexRE » Di 19. Jul 2011, 11:34

Noch etwas von dem oben verlinkten thread auf politikarena.net:

Countryjoe hat geschrieben:Bislang hat das Verfassungsgericht, dessen Name ja schon Ironie ist, immerhin schon etliche Male das GG vor dem Zugriff totalitärer Politbonzen gerettet. Mittlerweile aber, scheint diese Waffe gegen den Totalitarismus stumpf zu werden.


Wie der Begriff "Parteibuchproporz" schon sagt: Das Gericht schützt das GG dann gegen den Zugriff von Politbonzen, wenn der gerade regierende Teil der etablierten Seilschafter in einer Frage verfassungsrechtliche Grenzen überschreiten will, in der die sich gerade in der Opposition befindlichen Seilschafter nicht mit ihnen konform gehen und das nach dem nächsten Regierungswechsel sowieso rückgängig machen würden.

Wenn sich aber SPD / CDU / Grüne / FDP in irgendeiner Angelegenheit einig sind, schützt das Gericht das Grundgesetz und die Rechte des Volkssouveräns im Zweifel nicht gegen die politische Klasse an sich. Die Richter gehören ja selbst dazu.

In Sachen "Rettungsschirm" sollte man daher auf keine positive Überraschung hoffen.
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Re: Kritik am Bundesverfassungsgericht

Beitragvon AlexRE » Mi 7. Sep 2011, 11:16

Das heutige Urteil des BVerfG, mit dem die Beschwerden gegen das Rettungspaket zurückgewiesen wurden, wird auf dem Spiegel - Forum von vielen Teilnehmern scharf kritisiert. Einigen sehen sogar die Voraussetzungen des Art. 20 Abs. 4 GG (Widerstandsrecht) als gegeben an. Dazu habe ich mich geäußert:

tinomino hat geschrieben:Tja.
Es gibt Stimmen, die sagen, dass der Absatz 4 gegenstandslos bzw. das Papier nicht wert sei, auf dem er geschrieben steht.
Aus dem einfachen Grunde, dass, wenn der Angriff gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung schon soweit gediehen ist, dass der Absatz in Anspruch zu nehmen wäre, der Angreifer diesen sowieso ebenso ignorieren würde wie die übrigen demokratischen Regeln, an die er sich dann ja auch nicht mehr hält.


Diese Stimmen verkennen, dass der Artikel 20 Abs. 4 GG nicht die Angreifer adressiert, sondern die Verteidiger. Die sollen rechtlich abgesichert werden, wenn sie verfassungsfeindlichen Putschisten mit bereits bestehender Regierungsmacht bewaffneten Widerstand leisten.

Die hier geäußerten Auffassungen, dass nach dem das bail out - Verbot missachtenden Urteil des BVerfG die Voraussetzungen des Art. 20 4 GG vorliegen könnten, sind allerdings allesamt unvertretbar. Solange es freie und geheime Wahlen gibt, kann der Volkssouverän sich mit legalen und gewaltfreien Mitteln gegen alle Verletzungen seiner Rechte außer dem Entzug des Wahlrechts wehren, auch wenn das BVerfG versagt. Dazu muss er nur bei den nächsten Wahlen die Rechtsverletzer in die Wüste schicken und durch verfassungstreue Politiker ersetzen. Gewalt ist also nicht erforderlich und was nicht erforderlich ist, kann nicht verhältnismäßig sein. Jede unverhältnismäßige Inanspruchnahme irgendeines Notwehrrechts ist aber illegal, die Voraussetzungen des Art. 20 Abs. 4 GG können also noch nicht einmal theoretisch vorliegen.

Einer der jetzt zurückgewiesenen Beschwerdeführer - Herr Schachtschneider - hat auch schon einmal bei einer politischen Partei (Pro DM) mitgewirkt, die dann aber in den Reihen der unbedeutenden Splitterparteien verblieben ist. Wer hier den Art. 20 Abs. 4 in Anspruch nehmen will, kann sich also nur auf ein paar Promille der Wähler berufen und würde seine politischen Ziele gegen den Volkssouverän richten.

Übrigens steht es jedem Bürger frei, sich in einer der vielen Kleinparteien und sonstigen Gruppierungen, denen es in Deutschland nicht demokratisch genug zugeht, zu engagieren und dort für mehr Zusammenarbeit zu werben, damit die sektiererische Kleinteilerei in dieser Szene überwunden werden kann.

Ich mache bei diesem Verein hier mit:

http://www.grundgesetz-aktivierer.de/

In der Linkliste der HP sind viele kleine Parteien und Grüppchen aufgeführt, die sich alle untereinander kennen, aber bislang kaum etwas miteinander unternehmen.

Solange noch nicht einmal das in Deutschland funktioniert, wäre es mithin nicht nur illegal, mit Gewalt Widerstand zu leisten, sondern auf blutige Weise dumm und albern, so wie weiland die Spinner von der RAF das vorgeführt haben.

http://forum.spiegel.de/showthread.php?t=43261&page=25
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Re: Kritik am Bundesverfassungsgericht

Beitragvon Staber » Do 8. Sep 2011, 16:11

Wer hat ernsthaft etwas anderes von diesem EU-hörigen "Gericht" erwartet, dessen Richter schon immer durch den Politikbetrieb berufen werden, dem es gar nicht schnell genug gehen kann, mit der Abschaffung deutscher Souveränität.
Und sicher werden sie wieder was von irgend einer Linie in ihrem Urteil erzählen, die das nächste Mal nicht überschritten werden darf - um die Überschreitung dann aber auch wieder durchzuwinken. Da passte übrigens Prof. Huber aus München genau hinein. Dessen "Standbpunkt" war vor seiner Berufung schon genau so wie es das BVerfG schon immer betreibt. Kein Wunder, dass der nach Ansicht der Politik da sehr gut hinein passte.
Die Karlsuher Richtertruppe ist eine Comedy-Club. Da schadet es auch nicht Peter Müller als nächsten Clown zu berufen.

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Re: Kritik am Bundesverfassungsgericht

Beitragvon maxikatze » Do 20. Mär 2014, 12:55

Auch die jüngste Entscheidung dieses Gerichts war zu erwarten. Mit solchen vorhersehbaren Urteilen macht sich das BVG entbehrlich. Der dumme Steuerzahler wird weiterhin für marode Länder aufkommen müssen. Meiner Einschätzung nach, wird es ein Ende der Fahnenstange nicht geben.


http://www.tagesschau.de/wirtschaft/esm178.html
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