Verfassungsreferenden, Türkei u. a.

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Verfassungsreferenden, Türkei u. a.

Beitragvon AlexRE » Di 14. Sep 2010, 12:22

Vom Unterforum "Thema des Tages" hierher kopiert:

Nach Bolivien und Kenia hat mit der Türkei der dritte Staat seit Anfang 2009 erfolgreich ein Verfassungsreferendum durchgeführt:

Mit den insgesamt 26 Änderungen erhalten die türkischen Bürger mehr Rechte, zum Beispiel erstmals die Möglichkeit von Individualklagen vor dem Verfassungsgericht. Zugleich wird die zivile Kontrolle über die Armee gestärkt, Putsch-Generäle können erstmals vor Gericht gestellt werden. Umstritten ist eine in dem Paket enthaltene Justizreform, die Präsident und Parlament mehr Einfluss auf die Auswahl hoher Richter einräumt.

Die Beteiligung an dem Referendum lag laut Erdogan zwischen 77 und 78 Prozent. Der Sender CNN Türk gab das Ergebnis mit 57,6 Prozent an.

(...)

Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) sprach von einem "weiteren wichtigen Schritt auf dem Weg der Türkei nach Europa". Die Diskussion in der Türkei "auch über die konkrete Ausgestaltung der Machbalance im Staat" sei "zu begrüßen". "Sie ist sicher noch nicht beendet".

US-Präsident Barack Obama begrüßte die hohe Beteiligung an der Abstimmung beim NATO-Verbündeten Türkei. Diese belege die "Vitalität der türkischen Demokratie", erklärte das Weiße Haus.


Quelle: stern.de

Gescheitert ist dagegen ein Verfassungsreferendum in Moldau:

Verfassungsreferendum in Moldau mangels Beteiligung ungültig

In allen 4 Staaten sollte das jeweilige Verfassungsreferendum dazu dienen, gesellschaftliche Konfliktstoffe leichter mit friedlichen Mitteln beherrschbar zu machen. In keinem Fall gab es eine besondere staatsrechtliche Verpflichtung für die jeweilige politische Klasse oder das Staatsvolk, eine neue Verfassung zu schaffen. So etwas sieht nur das deutsche Grundgesetz in Artikel 146 vor, einen unmissverständlichen Auftrag der Väter und Mütter des Grundgesetzes, nach Wiedererlangung der Einheit in Freiheit eine neue Verfassung zu beschliessen. Da es aber hierzulande nicht so schwerwiegende Konflikte wie in den vorbezeichneten 4 Staaten gibt, wird das deutsche Verfassungsreferendum auf die lange Bank geschoben.

Im Staats- und Völkerrecht zählen Fakten und Sachzwänge eben mehr als noch so hochrangige Normen.
Der Stuttgarter OB Rommel:

Ich trete überall, wo das notwendig ist, der Meinung entgegen, der Umstand, dass die Diktatur zu allem fähig war, berechtige dazu, die Demokratie zu allem unfähig zu machen.
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Re: Verfassungsreferenden, Türkei u. a.

Beitragvon Nachbar » Di 14. Sep 2010, 23:49

Hinsichtlich des Referendums in der Türkei hatte ich vor vielen Monaten, ich meine gegen Sommer letzten Jahres, ein Gespräch mit einem langbefreundeten Izmirnioten, der mir schon damals seine Befürchtungen vortrug, Erdogan würde schleichend zu mehr Macht kommen und hieraus das islamische Element in der Türkei stärken.
Es scheint, es habe sich dessen Beobachtung als richtig herausgestellt.

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Verfassungsreferendum in der Türkei
Die AKP gestärkt, das Land gespalten

Ministerpräsident Erdogan und die AKP haben die Verfassungsänderungen gegen den Widerstand der Opposition durchgesetzt. Das Referendum hat das Land gespalten: Zustimmung in den zentralanatolischen AKP-Hochburgen, Ablehnung in den Mittelmeer-Provinzen.

Von Michael Martens, Istanbul
13. September 2010

Auch acht Jahre nach ihrer Machtübernahme müssen Recep Tayyip Erdogan und seine „Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung“ (AKP) in der Türkei keine parteipolitische Konkurrenz fürchten. Gegen den geschlossenen Widerstand der Oppositionsparteien haben die türkischen Wähler dem von der AKP initiierten Verfassungsreferendum am Sonntag zu einem Erfolg verholfen, der deutlicher ausfiel, als es in den vergangenen Wochen erwartet worden war. Knapp 58 Prozent der Wahlberechtigten billigten die 26 Verfassungsänderungen, über die nur en bloc abgestimmt werden konnte. Dass die Türken das Referendum ernst nahmen, zeigt auch die hohe Beteiligung: Knapp 78 Prozent der Bürger nutzten ihr Abstimmungsrecht.

Ein näherer Blick auf die Ergebnisse zeigt aber auch, dass Erdogan ein zutiefst gespaltenes Land regiert. Die deutliche Zustimmung in den zentralanatolischen Hochburgen der AKP fand ihre Entsprechung in einer nicht minder eindeutigen Ablehnung der Verfassungsänderungen in allen an das Mittelmeer grenzenden Provinzen der Türkei. Ein ähnliches Muster hatte sich zuletzt bei den Kommunalwahlen im vergangenen Jahr gezeigt, ist nun aber noch deutlicher ausgefallen. Der ungefährdeten Zustimmung etwa in Konya (78 Prozent Ja-Stimmen) oder Kayseri (73 Prozent) standen umgekehrte Verhältnisse in Izmir (63 Prozent Nein-Stimmen) oder in der an Griechenland und Bulgarien grenzenden Provinz Edirne im äußersten Nordwesten des Landes gegenüber (73 Prozent Nein-Stimmen).

In den von millionenfacher Zuwanderung aus dem Landesinneren geprägten Istanbul setzte sich die Spaltung sogar innerhalb der Stadtviertel fort. Insgesamt stimmten knapp 55 Prozent die Einwohner der Stadt den Änderungen zu. In dem von arrivierten Bürgern, den „weißen Türken“, dominierten Stadtteil Besiktas wollten aber 77 Prozent der Abstimmenden nichts davon wissen. Das von anatolischen, muslimisch geprägten Zuwanderern (den „schwarzen Türken“) geprägte Viertel Sultanbeyli auf der asiatischen Seite der Stadt stimmte zu 85 Prozent für die Änderungen.

AKP geht gestärkt aus dem Referendum hervor

Dass die AKP ihre größte Unterstützung für die Verfassungsänderungen ausgerechnet in den kurdisch dominierten Gebieten Südostanatoliens erzielen konnte, hatte allerdings nur mit einem sehr disziplinierten, nach Berichten aus der Region auch mit Drohungen untermauerten Boykottaufruf der Kurdenführer zu tun. So votierten in der fast ausschließlich kurdisch besiedelten Provinz Hakkari, gelegen an der Grenze zu Iran und zum Irak, überwältigende 94,3 Prozent der Abstimmenden mit Ja. Die Wahlbeteiligung betrug aber kaum neun Prozent. In einigen kurdischen Gebieten war es nach Angaben von Innenminister Besir Atalay am Wochenende auch zu kleineren gewaltsamen Zwischenfällen gekommen. Insgesamt wurde nach Angaben des Innenministeriums knapp 140 Personen verhaftet, weil sie den reibungslosen Ablauf des Referendums störten und Wähler bedrohten. „Die Verhaftungen fanden in Batman, Van und Istanbul statt“, teilte das Innenministerium mit. Batman und Van sind „kurdische“ Provinzen, in Istanbul gibt es von Kurden dominierte Stadtteile.

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den Artikel weiterlesen:
FAZ, 14.09.2010
http://www.faz.net/s/RubDDBDABB9457A437 ... ntent.html
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