Rechtsprechung auf Abwegen

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Rechtsprechung auf Abwegen

Beitragvon Excubitor » Fr 13. Dez 2019, 21:39

SZ.de - "Urteil des Bundesgerichtshofs: Schwabinger Rentner verlieren Klage gegen Kinderlärm"
"[...]

Die Betreiber von Elki profitieren davon, dass tobende und schreiende Kinder nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz privilegiert sind. "Kinderlärm ist im Regelfall keine schädliche Umwelteinwirkung", sagte die BGH-Senatsvorsitzende Christina Stresemann am Freitag bei der Urteilsverkündung.

[...]

Zwar räumt auch der BGH ein, dass von der Kita mehr störender Lärm ausgeht als von einem "Laden mit Lager" - das war die Nutzung, die in der maßgeblichen Teilungserklärung vorgesehen war. Aber das Privileg für Kinderlärm hat hier Vorrang, die Nachbarn müssen die Kita dulden.

[...]. "

Quelle:
https://www.msn.com/de-de/nachrichten/p ... li=BBqg6Q9

Kommentar
Ganz unabhängig davon, dass die Richter hier auch über die vertragliche Teilungserklärung für die Wohnanlage hinweg gegangen sind, was schon an sich einer Diskussion würdig wäre, beinhaltet das Urteil einen weit größeren Justiz-Skandal. Nämlich die Untragbare Version des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImschG). Dieses wurde offensichtlich gegen alle physikalischen Naturgesetze und sogar gegen das GG abgefasst, ist somit nach hier vertretener Auffassung "verfassungswidrig".
Ich bin ganz sicher kein Kinder-Feind, aber diese Inkonsequenz und Inkompetenz in Sachen Gesetzgebung schreit förmlich nach berechtigter Kritik.
Gründe:
KInderlärm ist physikalisch absolut unwiderlegbar genau so ein Lärm, also eine erhebliche Geräusch-Einwirkung wie jeder andere auch, ob es sich nun um LKW, Düsenjäger oder eine andere Geräuschquelle handelt und hat daher manchmal nicht nur eine schädliche Umwelteinwirkung, sondern ist im Übermaß mindestens genau so gesundheitsschädlich, da im Einzelfall extrem Stress belastend, insbesondere bei unvorhersehbar auf- und abschwellendem Dauer-Geschrei. Lärm ist nach wissenschaftlich absolut einhelliger Ansicht definitiv gesundheitsschädlich. Wenn sich ein Staat daher eine angebliche Verfassung gibt, in welcher die Gesundheit und körperliche Unversehrtheit doch angeblich geschützt wird, kann es da keine pauschale Ausnahme für Kinder-Lärm in einem Gesetz geben. Damit wird der angebliche Gesundheitsschutz der angeblichen Verfassung nicht nur konterkariert, sondern in diesem Bereich zur Farce degradiert.
Gerade wegen der davon ausgehenden Gesundheitsgefährdung muss es immer einer Einzelfallbetrachtung überlassen bleiben welches Maß an Zumutbarkeit gegeben ist. Die pauschale Privilegierung des Kinder-Lärms im BImSchG ist daher als Grundgesetz widrig anzusehen.

Ein einfaches Beispiel, sogar jenseits vom Geschrei vieler Kinder: Schon ein einziges 2-Jähriges Kind, das Stunden lang (die haben eine ausgeprägte Ausdauer) mit einem harten Gegenstand auf den Laminat-Boden hämmert kann einen darunter Wohnenden in den Wahnsinn treiben. Da hilft bei uneinsichtigen Eltern, das Kleinkind kann schließlich nichts für sein Verhalten in dem Alter, aus physikalischen Gründen auch keine Trittschalldämmung. Das bedeutet keine Möglichkeit konzentrierten Arbeitens mehr, extremen Stress und daher die Gefahr erheblicher Gesundheitsschäden, die vom mutmaßlich untauglichen Gesetzgeber und solch einer Rechtssprechung schlicht ignoriert werden. Soll das hier ein Rechtsstaat sein, kann man das nicht einfach ignorieren, aber man tut es gegen jedes Naturgesetz. Und das ist letztlich pure Willkür.
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Re: Rechtsprechung auf Abwegen

Beitragvon AlexRE » Fr 13. Dez 2019, 22:55

Sorry, aber dass die pauschale Privilegierung von Kinderlärm verfassungswidrig ist, muss der BGH nicht als so evident ansehen, dass die Nichtvorlage ans BVerfG als Justizskandal gelten kann. Dem Kläger bleibt unbelassen, eine Verfassungsbeschwerde einzulegen.

Das BVerfG würde dann aber die Rechte von Familien (Art. 6 GG) und die der Kinder (deren Gesundheit durch Unterdrückung ihrer Entwicklung im Spiel und im Umgang mit Gleichaltrigen auch belastet würde) sehr hoch gewichten.
Der Stuttgarter OB Rommel:

Ich trete überall, wo das notwendig ist, der Meinung entgegen, der Umstand, dass die Diktatur zu allem fähig war, berechtige dazu, die Demokratie zu allem unfähig zu machen.
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Re: Rechtsprechung auf Abwegen

Beitragvon maxikatze » Sa 14. Dez 2019, 12:16

Mich stört Kinderlärm vor der Haustür am allerwenigsten und ist mit Lärm, der beispielsweise von Straßenbaumaschinen ausgeht, nicht vergleichbar.
Direkt gegenüber von meinem Küchenfenster, etwa 12 m entfernt auf der anderen Straßenseite, befindet sich eine Kindergarten. Es ist nicht einmal morgens laut, wenn die Eltern ihre Kinder bringen. Die Kinder spielen oft draußen, was mich nie stört - im Gegenteil. Es ist schön, wenn Kinder ausgelassen spielen. Dass es dabei auch mal laut wird, finde ich völlig normal.
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