von Uel » Di 19. Jan 2016, 01:52
Lieber Excu,
ich bekam heute Abend einen Hinweis im Buch Psychopolitik (Neoliberalismus u. die neuen Machttechniken) vom koreastämmigen Polit-Philosophen Byung-Chul Han: Wir sind in einer Konsumenten-Demokratie angekommen und erwarten als Kunden die maßgeschneiderte Politware, die uns die Politiker als Lieferanten gefälligst anliefern sollen. Die Meisten interessiert nicht die technische Beschaffenheit der Ware sondern das Design. Daher ist es beim Kandidatenduell im TV wichtiger, ob der Kandidat symphatisch rüberkommt als ob seine politischen Vorstellungen stimmig, nötig und realisierungsfähig sind.
Der größte Witz ist, das der hamoniesüchtige Durchschnittswähler*** und auch Journalist politischen Streit hasst und erwartet, dass z.B. die Reichen, Privilegierten und Nutznießer selbst ein Einsehen haben würden und freiwillig ohne Gegenwehr und taktische Tricks auf ihre Vorteile verzichten würden. Wir wählen Leute, die inzwischen in andere Kreise hochgewachsen sind und dennoch gegen ihre eigenen Interessen unsere Anliegen härtest durchkämpfen sollten. Nach dem Grundverständnis ihrer Partei müssten sie es sicherlich so tun, aber können sie es wirklich wollen, gegen ihre neuen Interessen?
Das Fatale ist, dass viele sich einbilden, sie gehörten schon zu den reichen Kreisen oder würden mit ihren Fähigkeiten in Kürze selbstverständlich dazu gehören. Daher auch der Horror der deutschen Bevölkerung gegen höhere Besteuerung von wirklich Reichen: man könnte ja auch mal dazu gehören, eventuell gewönne man ja im Lotto und dann habe man etwas gegen sich selbst beschlossen ... die spinnen, die ... man möchte ihnen zurufen: zu denen, denen man schon aus staatserhaltenden Gründen etwas wegsteuern muss, werdet ihr nie gehören.
Die früheren Arbeiter waren reichlichst zeitlebens in der Gewerkschaft, heute spart man sich die Beiträge aber die möglichst maßgeschneiderte automatische Lohnerhöhung nimmt man selbstverständlichst mit, schlimmer man regt sich sogar über mal wirklich streikende Lokführer, Kindergärtnerinnen und Piloten auf. Ich denke, es führt kein Weg daran vorbei, auch wenn es uns anekelt, wir müssten die Parteien stürmen, um unsere Interessen lautstark selbst zu Gehör zu bringen.
*** frei nach Pispers: ein Kandidat ist Demokratie, 2 Kandidaten sind eine schlimme Kampfabstimmung
Liebe Grüße
von Uel
Generalfeldmarschall Helmuth von Moltke: --- Kein Plan übersteht den ersten Feindkontakt --- (gefunden bei Vince Ebert) Mein Zusatz: ... der Feind kann auch Realität heißen!