Totschlag oder Notwehr

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Totschlag oder Notwehr

Beitragvon Excubitor » Mi 10. Jun 2015, 14:30

Hannover: Bei einem Einbruchversuch wurde ein Mann von einem Sportschützen erschossen. Kardinalfrage: War es Totschlag oder Notwehr?
Mehr dazu unter
http://www.haz.de/Hannover/Aus-der-Stad ... r-Anderten

Wir erinnern uns noch an den Fall des Rentners, der bei einer ähnlichen Konstellation von einem deutschen Gericht zu 9 Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt wurde, obwohl sowohl der Staatsanwalt als auch der Verteidiger auf Freispruch plädiert hatten. Letzteres, also eine solche Verurteilung, scheint mir angesichts des totalen Versagens der Sicherheitsbehörden in Deutschland, belegt durch stetig steigende Einbruchszahlen ein fatales Signal der deutschen Justiz an die Kriminellen aller Länder. Kommt her, brecht ein, ihr werdet sogar von der Justiz noch geschützt, indem diese die Bürger davon abhält sich selbst zu schützen, was die Staatsvertreter, trotz Verpflichtung dazu, ja nicht auf die Reihe bekommen...

Leider ist die deutsche Rechtslage zu dem Thema nicht ganz einfach zu beurteilen. Selbst für Fachleute birgt die Tatsachenkomponente in der rechtlichen Einordnung einige Tücken. Da halten es die US-Amerikaner deutlich klarer in der Ansage an Kriminelle. Hier bei uns ist schnellstens Klarheit zu schaffen. Zwar darf hier nicht der "Wide Westen" einreißen und jeder jeden nach Lust und Laune erschießen, doch kein Bürger kann in Notsituationen erst das komplexe deutsche Notwehrrecht durchgehen (gegenwärtiger, rechtswidriger Angriff...), um zu eruieren, was er nun darf und was nicht... Das zu verlangen wäre völlig realitätsfern, wird aber anscheinend von einigen Richtern, die besser keine sein sollten, nahezu so verlangt...

Die einzigen, die sich freuen, sind, wie fast immer, die Kriminellen.
Zuletzt geändert von Excubitor am Do 11. Jun 2015, 14:24, insgesamt 3-mal geändert.
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Re: Totschlag oder Notwehr

Beitragvon AlexRE » Mi 10. Jun 2015, 16:12

Die deutsche Rechtslage in Sachen Notwehr ist durchaus klar. Wenn aber Richter ihre rechtspolitischen Ansichten und nicht beweisbare persönliche Einschätzungen von Einzelfällen zum Anlass nehmen, sich über das gesetzte Recht hinwegzusetzen und das mit absurd - lebensfremden Behauptungen verschleiern (siehe den Fall des Münchner Informatikstudenten) und der BGH den Dreck durchwinkt anstatt dieser Verlotterung der Rechtspflege entgegenzutreten, dann erscheint den Normalbürgern das betreffende Rechtsgebiet als totales Chaos. Kein Mensch in einer tatsächlichen oder vermeintlichen Notwehrsituation kann einschätzen, welche Verteidigungsmaßnahme als Notwehr anerkannt wird und welche nicht.

Nach den Maßstäben, die der 2. Senat des BGH im Fall des Koblenzer Rockers, der einen Polizeibeamten durch die geschlossene Tür erschossen hatte (Warnschuss nicht zumutbar, weil sich damit angeblich die "Kampfposition" verschlechtert hätte) angelegt hat, wäre das hier wohl Notwehr:

(...)

Gegen 1 Uhr hörte der 40-Jährige plötzlich verdächtige Geräusche an der Haustür. Als er daraufhin aus dem Fenster sah, entdeckte er nach eigener Aussage drei Männer vor der Tür, von denen einer eine Waffe bei sich gehabt haben soll. B. holte daraufhin seine Neun-Millimeter-Pistole und ging vor das Haus. Dort feuerte er in Richtung der mutmaßlichen Einbrecher, die daraufhin in unterschiedliche Richtungen flüchteten.

(...)


http://www.haz.de/Hannover/Aus-der-Stad ... r-Anderten

Ich argwöhne allerdings, dass der von dem selbsternannten Volkserzieher und Dompteur aller Staatsmächtigen Thomas Fischer geleitete 2. Senat die "Verschlechterung der Kampfposition" in dem speziellen Koblenzer Einzelfall nur behauptet hat, um den Einsatzleiter der Polizei abzuwatschen, der mit einem nachgerade idiotischen Zugriff (Der Rocker hatte eine Waffenbesitzkarte und wegen des Konflikts Hells Angels / Bandidos Feinde, denen ein Mord zuzutrauen ist, und die Polizei hat sich trotzdem nicht zu erkennen gegeben) das Leben seiner Leute riskiert hatte.

Es kann also durchaus sein, dass in dem neuen Fall des Werkstattbesitzers sowohl das zuständige Landgericht als auch der BGH die Notwehrlage ablehnen, weil der Schütze die Einbrecher nicht vorgewarnt hat.
Der Stuttgarter OB Rommel:

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Re: Totschlag oder Notwehr

Beitragvon Staber » Mi 10. Jun 2015, 17:54

Bei Notwehrhandlungen gilt es die Verhältnismäßigkeit der Mittel zu wahren! Ist schon klar .Nach diesem Vorfall in Hannover wird sich der eine oder andere überlegen, irgendwo einzusteigen , weil er damit rechnen muss, das der Besitzer wie in diesem Fall sich mit der Waffe zu wehren weiß. Ich würde es evtl. auch so machen.
Mal andersherum gefragt , hätte der Hausbesitzer die Einbrecher hereinbitten sollen und beim Einpacken des Raubguts helfen sollen? Ich frage mich, wie man sich heutzutage ohne Schusswaffe noch effektiv schützen kann, wenn man von drei Einbrechern überrascht wird. Übrigens sind Einbrecher sehr wohl bewaffnet. Man erinnere sich an den Fall des in Blankenese erschossenen Immobilienmaklers.
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Re: Totschlag oder Notwehr

Beitragvon AlexRE » Mi 10. Jun 2015, 21:11

Darüber kann man geteilter Meinung sein. Wo ein sehr liberales Waffenrecht herrscht, sind tödliche Unfälle mit Waffen sehr viel häufiger als von Einbrechern begangene Gewaltverbrechen.

Man kann aber nur rechtspolitisch unterschiedlicher Auffassung zum Waffen- und Notwehrrecht sein, die Justiz hat die verdammte Pflicht, eine für jedermann erkennbare einheitliche Linie zu entwickeln. Stattdessen haben sie in Deutschland ein Lotteriespiel aus dem Notwehrrecht gemacht und allen Bürgern, die in eine Notwehrsituation kommen könnten, jegliche Rechtssicherheit verweigert. Das ist unter aller Sau und außerdem verfassungswidrig. Die Autoren und Autorinnen des Grundgesetzes haben sich bei diesem Artikel hier ganz sicher etwas gedacht und ihn im Gegensatz zu den Herren BGH - Richtern sehr ernst genommen:
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.
(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.
(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.


http://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_103.html

Dem Anspruch des rot markierten 2. Absatzes wird man ganz sicher nicht gerecht, wenn man Menschen in Notwehrsituationen ein Lottospiel mit dem rechtspolitischen Geschmack des noch unbekannten zuständigen Richters zumutet. :evil:
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Re: Totschlag oder Notwehr

Beitragvon AlexRE » Do 11. Jun 2015, 15:46

Ah ja - ein Warnschuss ist grundsätzlich nicht notwendig. Die Leser der Springer - Presse wissen jetzt alle Bescheid: :roll:

(...)

Erst nach dem Schuss rief der Werkstattbesitzer die Polizei. Einen entsprechenden Notruf hat er vorher nicht abgesetzt. Auch einen Warnschuss in die Luft hat er nicht abgegeben. Allerdings ist auch niemand zu einem Warnschuss verpflichtet, der sich in der Lage einer Notwehr befindet. Laut Paragraf 32 Strafgesetzbuch (StGB) ist Notwehr "die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden".

(...)


http://www.welt.de/vermischtes/article1 ... oeten.html

Die Waffenbesitzer unter diesen Lesern könnten allerdings selbst in eine Notwehrlage geraten und wären dann durch ihre Informationsquelle in großer Gefahr, im Knast zu landen:

(...)

Einschränkungen des Notwehrrechts gibt es lediglich bei tödlicher Gewalt. Vor dem Einsatz eines tödlichen Verteidigungsmittels ist in der Regel, wenn es nicht zur weiteren Eskalation führt, eine Warnung notwendig. Beim Schusswaffeneinsatz ist dies somit grundsätzlich ein Warnschuss. Ferner darf die Anwendung nicht völlig außer Verhältnis stehen. Typisches Beispiel: Der im Rollstuhl sitzende Bauer darf nicht obstklauende Kinder von seinem Kirschbaum schießen. In diesen seltenen Ausnahmefällen muss auf das Notwehrrecht dann tatsächlich verzichtet werden.

(...)


http://www.strafrecht-bundesweit.de/str ... -nothilfe/
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