Das Beschneidungsurteil und seine weitreichenden Folgen

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Das Beschneidungsurteil und seine weitreichenden Folgen

Beitragvon Ali » Do 23. Aug 2012, 21:17

Ich habe HIER keinen Beschneidungsstrang gefunden.
Ihr könnt ja verschieben, falls ich ihn übersehen habe und mir bitte den link geben. Danke! ;)


Beschneidung
Beschnitten und traumatisiert
Von Lorenz S. Beckhardt

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Ein Beschneidungsbesteck aus Messer und Vorhautschutz auf einem Gebetsbuch.


Die Schoah unterbrach den Weg der Juden in die Moderne, auch darum halten sie an der Beschneidung fest.

Es schmerzte, als die Betäubung nachließ. Unter dem Verband kam eine blutverkrustete Naht zum Vorschein. Mein Geschlechtsteil bot keinen schönen Anblick. Erst nach einer Woche war die Wunde halbwegs verheilt.

Anders als die meisten jüdischen Männer kann ich mich an meine Beschneidung erinnern, weil ich sie erst als erwachsener Mann vornehmen ließ – ganz so, wie es uns viele kritische Zeitgenossen heute raten: Wartet, bis ihr alt genug und religionsmündig seid! Dann könnt ihr selbst entscheiden.

Diesen Gedanken hatte mein Vater nicht, als er Anfang der 1960er-Jahre entschied, mich nicht beschneiden zu lassen. Seit Jahrhunderten wurden in unserer Familie alle Knaben am achten Tag nach der Geburt beschnitten. Mein Vater erlebte dieses körperliche Merkmal jedoch als verräterisch in den Augen der ihn verfolgenden „arischen“ Mehrheit. „Deshalb hielt ich es für besser, dich nicht als Juden in Deutschland aufwachsen zu lassen“, begründete er die Unterlassung.

Dennoch saß er Jahre später stolz neben der Liege, auf der ich von einem jüdischen Arzt beschnitten wurde. Mein Vater, der alle Religionen gleichermaßen verabscheut, sich aber selbstverständlich als Jude versteht, sprach stolz die hebräischen Worte, mit denen ich „in den Bund Abrahams“ aufgenommen wurde. Denn die Beschneidung ist nicht nur ein religiöses Ritual, sie ist auch das Symbol des Überlebens. Mit ihr bin ich in die Linie meiner Groß- und Urgroßväter eingetreten, die verfolgt und ermordet wurden. Die Beschneidung ist ein Sieg über Hitler. Wir sind noch da. Wir leben.

Für Juden verläuft die Debatte fatal

„Dennoch. Könnt ihr nicht eine moderne Variante entwickeln?“, fragt die nichtjüdische Mehrheit. Gäbe es nicht ein Ritual, das eine die körperliche Unversehrtheit des Individuums achtende Gesellschaft tolerieren würde? So unblutig wie die Taufe etwa? Eine berechtigte Frage.

Doch für uns Juden verläuft die Debatte fatal. Sie trifft uns zur Unzeit – bis ins Mark. Nicht, weil die Mehrheit der leserbriefschreibenden Deutschen von Antisemitismus getrieben wäre. Derlei Angriffe sind wir gewohnt, auch wenn wir uns nie daran gewöhnen werden. Nein, die Beschneidungsgegner führen nachvollziehbare ethische, juristische und medizinische Bedenken ins Feld und wollen keineswegs – wie die Generation der Großväter – jüdisches Leben in Deutschland ausmerzen. Fatal ist, dass durch eine breite, gesellschaftliche Debatte, die nicht primär von Judenfeindschaft befeuert wird, die winzige jüdische Existenz in Deutschland so grundlegend infrage gestellt wird wie noch nie seit dem Ende des Nationalsozialismus. Denn die nichtjüdische Mehrheit ignoriert in ihrem Eifer, in welchem Zustand sich das deutsche Judentum seit 1945 befindet und, dass es ohne die Schoah die Beschneidung gerade in Deutschland in ihrer heutigen Form womöglich kaum mehr gäbe.

Schon im 19. Jahrhundert nannte der in meiner Geburtsstadt Wiesbaden amtierende, berühmte Reformrabbiner Abraham Geiger die Beschneidung einen „barbarisch blutenden Akt“. Geiger, der 1874 starb, war einer der Begründer des liberalen Judentums, das von Deutschland aus die jüdische Welt eroberte. 50 Jahre nach Geigers Tod gab es in Wiesbaden 3 000 Juden, darunter nur noch 100 orthodoxe. Die liberale Mehrheit hatte sich bis zur Unkenntlichkeit in die bürgerliche Gesellschaft integriert.
Thema: Beschneidung

Beschneidung an Jungen - Körperverletzung oder harmloser Eingriff? Diskutieren Sie mit.

Die Frage, ob Beschneidungen sein müssen, wird im liberalen Judentum, dem heute weltweit die meisten Juden zugehören, seit Geigers Zeiten diskutiert, ebenso wie die Frage, ob in der Synagoge Männer und Frauen getrennt sitzend ausschließlich auf Hebräisch statt auf Deutsch beten müssten. Deutschland ist der Geburtsort jener Ideen, die das Judentum in die Moderne geführt und den Juden den Weg zur rechtlichen Gleichstellung geebnet haben.

Hätte man uns diesen Weg weitergehen lassen, gäbe es heute mit hoher Wahrscheinlichkeit eine moderne Alternative zur Beschneidung, und ein Rabbiner, der in einer Talkshow mit der Bibel herumfuchtelt, die er „Gottes Wort“ nennt und das wortwörtlich meint, wäre so repräsentativ für das Judentum wie ein Piusbruder für den Katholizismus.

Doch der Weg des deutschen Reformjudentums endete nicht in der Moderne, sondern in Auschwitz. Die Überlebenden verließen das Land der Mörder. Übrig blieb ein kleines, verunsichertes Häuflein: Juden, denen die Talente oder die Mittel fehlten, sich andernorts eine Existenz aufzubauen; Juden, die zu traumatisiert waren, um auszureisen; Juden, die wie mein Großvater von Heimatliebe so besoffen waren, dass sie zurückkehrten. Sie alle rangen jahrzehntelang um ihre Identität, dem Spott der restlichen jüdischen Welt ausgesetzt, weil sie wie Lämmer unter Metzgern lebten. Um diese seelische Last zu bewältigen, wurden die deutschen Juden fromm, jüdischer als jüdisch, und buhlten um Anerkennung durch das orthodoxe Establishment Israels, das dort inmitten einer säkularen Mehrheit einflussreich ist. Zu dieser Seelenarbeit gehört, die Söhne beschneiden zu lassen und sie so als (Über-) Lebende zu zeichnen.

Judentum auch ohne Beschneidung denkbar

Historisch war die Beschneidung ein Mal der Unterscheidung, das es Juden jahrtausendelang ermöglicht hat, als Minderheit in einer feindlichen Umgebung sichtbar zu bleiben. Gegenwärtig ist sie der Beweis, dass selbst der Holocaust das Judentum in Deutschland nicht völlig ausgelöscht hat, wie es Leo Baeck, der letzte große Reformrabbiner, der Theresienstadt überlebte, prophezeit hatte. Dass die Beschneidung als Identität und Gemeinschaft stiftendes Ritual heute unter Juden weniger umstritten ist als noch vor 100 Jahren, ist ein Ergebnis deutscher Geschichte.

Doch dabei muss es nicht bleiben. Natürlich ist ein Judentum ohne Beschneidung denkbar. Diskutieren, streiten, Regeln aufstellen, um sie wieder zu verändern, das ist jüdischer Alltag. Noch mag die Mehrheit auch der säkularen Juden nicht auf die Beschneidung verzichten. Salopp formuliert: Wir brauchen sie, solange der Geruch der Asche noch in unseren Kleidern steckt. Doch selbst aus einer orthodoxen Gemeinde wird schon heute niemand verwiesen, der unbeschnitten daherkommt.

Religionsfreiheit verstehen wir so, dass wir den in Auschwitz unterbrochenen Weg in die Moderne aus eigenem Antrieb und in freier Selbstbestimmung gehen, wie es seit den Tagen Moses Mendelssohns, des großen jüdischen Aufklärers, bei uns Tradition ist. Eine nichtjüdische Begleitung auf diesem Weg benötigen wir nicht; ihn nicht zu behindern, würde dieses Mal schon reichen.

Schutz für die Rituale

Dass das Grundgesetz die dazu nötige Freiheit durch das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit einschränke, ist ein Irrtum. Die Väter und Mütter des Grundgesetzes hatten nicht die Absicht, jüdisches Leben in Deutschland zu behindern – im Gegenteil! Einer von ihnen, der später zum ersten Bundespräsidenten gewählt wurde, rief meinem im Exil ausharrenden Großvater zu, er „begrüße die Rückkehr der Juden nach Deutschland, namentlich solcher Juden, die noch eine geistige Verwandtschaft mit Deutschland fühlen“. Hätte Theodor Heuss geahnt, welche Debatte wegen eines Landgerichtsurteils geführt werden würde, hätten er und die Mehrheit des Parlamentarischen Rates nicht nur die Religion, sondern auch ihre Rituale unter besonderen Schutz gestellt.

Die Beschneidung traumatisiere, rufen uns Psychologen und Ärzte ungefragt zu. Dass wir sie seit 5 000 Jahren praktizieren, hat noch vor Kurzem niemanden interessiert. Meinem Patensohn, den ich bei der Beschneidung in den Armen hielt, geht es gut, antworte ich, aber – klar – was sagt das schon? Also gestehe ich ein: Ja, ich bin beschnitten und ich bin traumatisiert. Ich bin traumatisiert von der massivsten Infragestellung jüdischer Existenz seit der Schoah. Der Artenschutz, den wir in der deutschen Nachkriegsgesellschaft genossen haben, ist dahin. Das Ausmaß der demgegenüber offenbarten Gleichgültigkeit schockiert mich. Sie war schon 1933 der Nährboden, auf dem unsere Mörder gewachsen sind. Die Mehrheit war nie antisemitisch. Sie war und ist gleichgültig. Ihr fehlt es an Empathie. „Juden misshandeln ihre Kinder,“ heißt ihre Sorge. Mich fröstelt.

Ich bin hier geboren. Ich liebe die Sprache und Kultur dieses Landes. Ich werde hier bleiben, egal wie die Sache ausgeht. Wo sonst soll ich leben? Es werden wieder bessere Zeiten kommen. Daran glaubte mein Großvater. Daran glaube auch ich.

Lorenz S. Beckhardt arbeitet als Fernsehjournalist in Köln.

http://www.fr-online.de/kultur/beschnei ... 45268.html
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Das Beschneidungsurteil und seine weitreichenden Folgen

Beitragvon Ali » Do 23. Aug 2012, 21:26

23.08.2012

Anhörung

Ethikrat spricht sich für Beschneidung aus

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Die Debatte über religiöse Beschneidungen von Jungen in Deutschland wird kontrovers geführt, jetzt zeichnet sich ein Kompromiss ab: Der Ethikrat spricht sich für eine Erlaubnis aus - allerdings unter einer Reihe von Bedingungen.

Berlin - Der Deutsche Ethikrat hat nach kontroverser Debatte eine Tendenz zur Erlaubnis der Beschneidung kleiner Jungen aus religiösen Gründen erkennen lassen. Eine solche Erlaubnis sei allerdings nur unter Vorbehalten denkbar, sagte die Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Christiane Woopen, nach einer mehrstündigen Anhörung.

Zu den Auflagen gehören:

die Einwilligung beider Elternteile,
die Möglichkeit, die Schmerzen etwa durch Betäubung zu lindern,
die umfassende Aufklärung über mögliche Risiken und
die fachgerechte medizinische Ausführung der Beschneidung.


Anlass für die Beratungen des Ethikrats war ein Urteil des Landgerichts Köln. Die Richter hatten Ende Juni die Beschneidung eines vierjährigen Jungen als rechtswidrige Körperverletzung gewertet - und damit einen Sturm des Protests in muslimischen und jüdischen Gemeinden ausgelöst. Um die Verunsicherung zu beenden, forderte der Bundestag im Juli die Regierung auf, bis Herbst einen Vorschlag für die gesetzliche Regelung vorzulegen.

"Eine Art rechtspolitischer Notstand"

Die Mitglieder des Gremiums sprachen sich zudem für die Gründung eines Runden Tischs aus, an dem Juden, Muslime, Elternvertreter und Ärzte aller Fachrichtungen teilnehmen sollen. Sie sollen gemeinsam Leitlinien zur Beschneidung und für deren intensivere Erforschung entwickeln. In der Anhörung wurden aber auch unterschiedliche Positionen der Experten deutlich.

Deutliche Bedenken äußerte der Hamburger Strafrechtler Reinhard Merkel. "Der Gesetzgeber ist in einer Art rechtspolitischem Notstand", sagte er. Merkel warnte vor einem "jüdisch-muslimischen Sonderrecht" und einem "Sündenfall des Rechtsstaats". Der Jurist hob das Recht auf körperliche Unversehrtheit und die Priorität des Kindeswohls hervor. Nur eine Art "Sonderrecht" könne die Beschneidung gegen alle strafrechtlichen Einwände für rechtmäßig erklären.

Dem widersprach der Kölner Strafrechtsprofessor Wolfram Höfling. Er plädierte für "eine Anerkennung der Beschneidung als Elternrecht", allerdings unter der Bedingung, dass diese "fachgerecht" und "schmerzvermeidend" vorgenommen werde. Latasch betonte, die Gabe von "Zäpfchen gegen Schmerzen", betäubenden Salben sowie "Lokalanästhetika im Lendenbereich" seien in Deutschland bei Beschneidungen bereits heute üblich.

Der israelische Präsident Schimon Peres hat Bundespräsident Joachim Gauck gebeten, sich für das Recht auf Beschneidungen aus religiösen Gründen einzusetzen. "Die Brit Milah (Beschneidung) ist ein jüdisches Ritual, das seit Tausenden von Jahren zentral für die jüdische Identität ist und einen Juden ausmacht", schrieb Peres in einem Brief an Gauck.

Peres betonte zugleich, dass die Reaktion der deutschen Regierung und des Parlaments ein gutes Zeichen dafür seien, dass eine gesetzgeberische Lösung für das Recht auf Beschneidung gefunden werde. "Ich bin deshalb zuversichtlich, Herr Bundespräsident, dass Deutschland gemäß seiner Grundwerte daran festhalten wird, dass Juden ihre religiösen Traditionen in Freiheit bewahren können", schrieb Peres.

Warnung vor "Beschneidungstourismus"

Der jüdische Mediziner Leo Latasch wies die Ansicht zurück, wonach die Beschneidung von Jungen mit einer Genitalverstümmelung bei Mädchen zu vergleichen sei. Medizinische Komplikationen gebe es in weniger als 0,2 Prozent der Fälle. Auch der Vorwurf, starke Schmerzen bei dem Eingriff bei Neugeborenen hätten relativ oft traumatische Folgen, sei nicht zu belegen.

Der muslimische Medizinethiker Ilhan Ilkiliç warb für eine "Versachlichung" der Debatte. Er warnte vor Operationen in Hinterzimmern und einem "Beschneidungstourismus", falls der Gesetzgeber nicht auf das Urteil des Kölner Gerichts reagiere.

Auch international schlägt das Thema weiter Wellen: Der israelische Innenminister Eli Jischai forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel auf, sich für das Recht auf Beschneidungen einzusetzen. Juden in Deutschland dürften nicht gezwungen werden, sich zwischen der Einhaltung weltlicher und religiöser Gesetze entscheiden zu müssen, schrieb der Vorsitzende der strengreligiösen Schas-Partei nach Angaben der Zeitung "Jediot Achronot" am Donnerstag.


Der Zentralrat der Juden in Deutschland wies die Forderung des Innenministers zurück. "Weder die Kanzlerin noch die Bundesregierung brauchen Belehrungen aus Israel", sagte der Generalsekretär Stephan Kramer der "Berliner Zeitung". Auch die Resolution des Bundestages habe "eindeutig Position bezogen" für ein Gesetz, das jüdisches Leben in Deutschland gewährleistet bleibe. Nötig sei "kein Schnellschuss", sondern eine sorgfältige Regelung, die allen Eventualitäten Rechnung trage.

Ermittlungen gegen Rabbiner ziehen sich hin

Derzeit wird gegen den Rabbiner David Goldberg wegen der Beschneidung von Jungen ermittelt. Die Staatsanwaltschaft rechnet damit, dass sich der Fall vermutlich mehrere Wochen lang wegen der politischen Brisanz hinziehen wird. Man überprüfe derzeit den strafrechtlichen Gehalt der Anzeige gegen Goldberg und wolle "alle Aspekte der Angelegenheit sorgfältig einbeziehen", sagte der Leitende Oberstaatsanwalt der Staatsanwaltschaft Hof, Gerhard Schmitt.

Der Gießener Arzt Sebastian Guevara Kamm hatte bei der Staatsanwaltschaft Strafanzeige gegen den Rabbiner wegen der Beschneidung von Minderjährigen gestellt. In seiner Begründung beruft sich der Mediziner unter anderem auf das Urteil des Kölner Landgerichts vom Juni.

heb/dpa/dapd/Reuters

http://www.spiegel.de/politik/deutschla ... 51742.html
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Das Beschneidungsurteil und seine weitreichenden Folgen

Beitragvon Ali » Do 23. Aug 2012, 21:33

22.08.2012, 22:05
Religiöser Ritus

Ethikrat verzweifelt am Thema Beschneidung
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Die Experten sollen eine Empfehlung für ein neues Gesetz geben. Doch ein für alle akzeptabler Kompromiss scheint nicht möglich.
von Matthias Ruch


Der Deutsche Ethikrat steht vor einem Problem, das er nicht lösen kann. Er soll am Donnerstag in Berlin eine Empfehlung darüber aussprechen, wie die Beschneidung kleiner Jungen aus religiösen Motiven künftig im Gesetz geregelt werden soll. Die Forderungen der muslimischen und jüdischen Verbände, die Interessen der Ärzte und das Strafrecht lassen sich aber nicht in einem Kompromiss vereinbaren.
Seit das Landgericht Köln die Beschneidung ohne medizinische Notwendigkeit im Mai für strafbar erklärt hatte, streiten Politiker, Juristen und Vertreter der Religionsgemeinschaften teils heftig über die Folgen der Entscheidung. Auch in den USA, in Israel, der Türkei und der arabischen Welt hatte das Kölner Urteil für Aufsehen und Empörung gesorgt. Die Bundesregierung sah sich daher genötigt, umgehend eine Legalisierung der umstrittenen Praxis zu fordern.
Dass sich der Ethikrat in dieser Frage auf eine gemeinsame Linie verständigen kann, gilt als ausgeschlossen. Zu weit liegen die Ansichten der Juristen, Ärzte und Theologen innerhalb des Gremiums auseinander. Eine klare Mehrheit der Mitglieder wünscht sich, ebenso wie die Regierung, ein neues Gesetz, das Muslimen und Juden künftig grundsätzlich das Recht gibt, ihre Söhne weiterhin straffrei beschneiden zu lassen. Auch diese Befürworter stellen allerdings Bedingungen auf, die jedenfalls für die jüdische Gemeinschaft kaum akzeptabel erscheinen. So soll die Beschneidung künftig nur noch von Ärzten oder staatlich geprüften Beschneidern vorgenommen werden dürfen - und zwar nur noch unter Betäubung.

Für Kinderschützer und Strafrechtler sind beide Forderungen eine Selbstverständlichkeit. Mit den Bräuchen der Juden aber dürften sie kaum zu vereinbaren sein. Der israelische Oberrabbiner Jona Metzger, der eigens nach Deutschland gereist ist, um mit der Bundesregierung über mögliche Kompromisse zu verhandeln, stellte bereits klar, dass eine Beschneidung in Krankenhäusern und unter künstlicher Betäubung für ihn nicht infrage komme. Und: Eine örtliche Betäubung ist bei diesen Eingriffen kaum möglich, eine Vollnarkose aber ist gerade bei sehr jungen Kleinkindern mit erheblichen Risiken verbunden. Juden lassen ihre Söhne in der Regel bereits am achten Tag nach der Geburt beschneiden, Muslime lassen sich damit mehr Zeit.
Die Gegner einer solchen Legalisierung, die im Ethikrat vor allem mit dem grundgesetzlich garantierten Schutz der körperlichen Unversehrtheit argumentieren, warnen die Regierung ausdrücklich vor einem Schnellschuss: Ein Ausnahmegesetz, das die religiöse Beschneidung vom Straftatbestand der Körperverletzung ausnehme, lasse sich mit Artikel 2 des Grundgesetzes kaum vereinbaren. "Das Grundrecht auf freie Religionsausübung ist nicht schrankenlos", sagte der Hamburger Rechtsphilosoph Reinhard Merkel der FTD. "Es endet zwingend dort, wo das Recht auf körperliche Unversehrtheit anderer beginnt." Im Ethikrat zählt Merkel zu den Verteidigern des Kölner Urteils, das er juristisch für "vollkommen richtig und konsequent" hält. Auch er weist allerdings darauf hin, dass das Recht in diesem Fall kollidiert mit der "moralischen deutschen Pflicht der Politik", auf die Interessen der Juden besonders Rücksicht zu nehmen.
Sollte die Regierung tatsächlich ein Sondergesetz verabschieden, das im Ergebnis dazu führt, dass Eltern und Ärzte für die religiöse Beschneidung nicht strafrechtlich belangt werden können, bliebe den Kritikern in letzter Instanz nur das Bundesverfassungsgericht. Ob und, wenn ja, wann sich die Karlsruher Richter mit dem Fall befassen werden, ist allerdings völlig offen.
Im Justizministerium, wo bereits an einem Gesetzentwurf gearbeitet wird, stehen die Experten nun vor dem gleichen Dilemma, das auch den Ethikrat spaltet: Eine Legalisierung der traditionellen Beschneidung ohne Auflagen scheint mit dem Recht auf körperliche Unversehrtheit und mit den Interessen des Kindes nicht vereinbar. Sämtliche Auflagen aber, die derzeit diskutiert werden, drohen den Konflikt mit den Religionsgemeinschaften zusätzlich anzuheizen.
Aus medizinischer Sicht scheint zumindest eines gesichert: Die große Mehrheit der Beschneidungen verläuft routiniert, aber in Einzelfällen kommt es dennoch zu Infektionen, Traumatisierungen oder Komplikationen, die im schlimmsten Fall eine Amputation erforderlich machen oder gar zum Tode des Beschnittenen führen. Diese Fällen seien selten, argumentieren die Kritiker, aber jeder einzelne sei bereits einer zu viel.

http://www.ftd.de/politik/deutschland/: ... 80180.html
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Das Beschneidungsurteil und seine weitreichenden Folgen

Beitragvon maxikatze » Do 23. Aug 2012, 21:48

Ich habe HIER keinen Beschneidungsstrang gefunden.
Ihr könnt ja verschieben, falls ich ihn übersehen habe und mir bitte den link geben. Danke! ;)



viewtopic.php?f=66&t=936&p=36721&hilit=Beschneidung#p36721
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Re: Das Beschneidungsurteil und seine weitreichenden Folgen

Beitragvon AlexRE » Do 23. Aug 2012, 22:19

Das nächste Verfahren steht vor der Tür:

Rabbi angezeigt: Beschneidungsdebatte in Deutschland flammt wieder auf

Deutsch Türkische Nachrichten | Veröffentlicht: 23.08.12, 16:46

Einem Rabbi aus Bayern droht nun die Anklage, weil er weiterhin Beschneidungen an Jungen ohne Betäubung durchführt. Damit wird die im Zuge des Kölner Beschneidungsurteils enstandene Debatte wieder in den Mittelpunkt der Öffentlichkeit gerückt.

(...)


http://www.deutsch-tuerkische-nachricht ... ieder-auf/

Das habe ich auf der Facebook - Präsenz der DTN dazu geschrieben:

Mit diesem neuen Verfahren kann die Frage nun dort geklärt werden, wo sie geklärt werden muss: beim Bundesverfassungsgericht. Das LG hatte eine verfassungsrechtliche Güterabwägung vorgenommen, auf eine nicht gerechtfertigte Körperverletzung erkannt und wegen Verbotsirrtums freigesprochen. In solchen Fällen ist der Weg über die Instanzen abgeschnitten, der Freigesprochene hat keine sog. "Beschwer" und kann nicht in Berufung oder Revision gehen und die StA kann nicht mit Aussicht auf Erfolg Rechtsmittel einlegen, weil der Verbotsirrtum glasklar vorliegt. Die angekündigte einfachgesetzliche Regelung durch die Politik ist eine absolute Schnapsidee, das Gesetz würde sofort beim BVerfG landen.


http://www.facebook.com/dtnachrichten
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Das Beschneidungsurteil und seine weitreichenden Folgen

Beitragvon AlexRE » Do 23. Aug 2012, 22:28

maxikatze hat geschrieben:
Ich habe HIER keinen Beschneidungsstrang gefunden.
Ihr könnt ja verschieben, falls ich ihn übersehen habe und mir bitte den link geben. Danke! ;)



viewtopic.php?f=66&t=936&p=36721&hilit=Beschneidung#p36721


Ich habe die Beiträge zusammengeführt.
Der Stuttgarter OB Rommel:

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Das beschneidungsurteoil und seine weitreichenden Folgen

Beitragvon maxikatze » Do 23. Aug 2012, 22:30

AlexRE hat geschrieben:
maxikatze hat geschrieben:
Ich habe HIER keinen Beschneidungsstrang gefunden.
Ihr könnt ja verschieben, falls ich ihn übersehen habe und mir bitte den link geben. Danke! ;)



viewtopic.php?f=66&t=936&p=36721&hilit=Beschneidung#p36721


Ich habe die Beiträge zusammengeführt.

Danke.
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"Ethik"-Rat?

Beitragvon Excubitor » Fr 24. Aug 2012, 11:00

Die Entscheidung des Ethikrates belegt, dass in Deutschland die Verletzung der eigenen Werteordnung als grundsätzliche Vorgehensweise bereits anerkannt zu sein scheint.
Es kann für den gesamten Problemkreis nur eine akzeptable Lösung geben, dass nämlich die Betroffenen selbst, so sie ein Alter erreicht haben, dass ihnen dies vom Reifegrad her ermöglicht, die Entscheidug darüber treffen können, ob sie beschnitten werden wollen oder nicht.
Egal, ob die Eltern entscheiden dürfen oder nicht, es ist und bleibt die Entscheidung über den Kopf der wehrlosen Minderjährigen hinweg.
Auch die Verwendung von Schmerzmitteln ändert nichts an dem Vorgehen ohne oder gegen den Willen der Betroffenen und den damit verbundenen starken Eingriff in deren körperliche Unversehrtheit.
Was der sogenannte Ethikrat wieder einmal missachtet, ist die rechtlich herausragende Stellung des rechts auf körperliche Unversehrtheit. Wie Rechtsgelehrte schon meines Erachtens richtig herausgestellt haben kann es keine Sonderrechte geben, denn die müsste man nach den Vorschlägen des Ethikrates einführen, um überhaupt noch ein wenig auf dem Boden des Grundgesetzes zu agieren.

Nach dieser Entscheidung verdient der Ethikrat diese hochtrabende Bezeichnung keine Sekunde länger. sondern hat sich selbst für derartige Entscheidungen disqualifiziert, in dem man wieder einmal (wodurch sich bislang Politiker hervorgetan haben) für religiöse Verbände Sonderrechte einzuführen versucht und diesmal damit sogar die Werteordnung des eigenen Grundgesetzes untergräbt.

Als Bürger kann ich die Rechtsordnung dieses Landes , wenn sich die Entwicklung in dieser Weise fortsetzt nicht mehr anerkennen. Und ich versichere hier, ich werde nicht der einzige sein.

Dieses Forum enthält übrigens viele weitere Belege warum die Rechtsordnung eigentlich schon länger nicht mehr anerkennenswürdig ist.


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"Ethik"-Rat?

Beitragvon Excubitor » Fr 24. Aug 2012, 11:01

Die Entscheidung des Ethikrates belegt, dass in Deutschland die Verletzung der eigenen Werteordnung als grundsätzliche Vorgehensweise bereits anerkannt zu sein scheint.
Es kann für den gesamten Problemkreis nur eine akzeptable Lösung geben, dass nämlich die Betroffenen selbst, so sie ein Alter erreicht haben, dass ihnen dies vom Reifegrad her ermöglicht, die Entscheidug darüber treffen können, ob sie beschnitten werden wollen oder nicht.
Egal, ob die Eltern entscheiden dürfen oder nicht, es ist und bleibt die Entscheidung über den Kopf der wehrlosen Minderjährigen hinweg.
Auch die Verwendung von Schmerzmitteln ändert nichts an dem Vorgehen ohne oder gegen den Willen der Betroffenen und den damit verbundenen starken Eingriff in deren körperliche Unversehrtheit.
Was der sogenannte Ethikrat wieder einmal missachtet, ist die rechtlich herausragende Stellung des Rechts auf körperliche Unversehrtheit. Wie Rechtsgelehrte schon meines Erachtens richtig herausgestellt haben kann es keine Sonderrechte geben, denn die müsste man nach den Vorschlägen des Ethikrates einführen, um überhaupt noch ein wenig auf dem Boden des Grundgesetzes zu agieren.

Nach dieser Entscheidung verdient der Ethikrat diese hochtrabende Bezeichnung keine Sekunde länger. sondern hat sich selbst für derartige Entscheidungen disqualifiziert, in dem man wieder einmal (wodurch sich bislang Politiker hervorgetan haben) für religiöse Verbände Sonderrechte einzuführen versucht und diesmal damit sogar die Werteordnung des eigenen Grundgesetzes untergräbt.

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Re: "Ethik"-Rat?

Beitragvon AlexRE » Fr 24. Aug 2012, 11:19

Excubitor hat geschrieben:Die Entscheidung des Ethikrates belegt, dass in Deutschland die Verletzung der eigenen Werteordnung als grundsätzliche Vorgehensweise bereits anerkannt zu sein scheint.


Dieser komische Ethikrat ist schon bei anderen Themen zu maximal unethischen Mehrheitsmeinungen gelangt:

AlexRE hat geschrieben:Der deutsche Ethikrat mal wieder:


Ethikrat will Babyklappen abschaffen

Der Deutsche Ethikrat hat sich für eine Abschaffung der Babyklappen und der bisherigen Angebote zur anonymen Geburt ausgesprochen. Solche Angebote zur anonymen Kindsabgabe seien besonders deshalb ethisch und rechtlich problematisch, weil sie das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Herkunft und auf Beziehung zu seinen Eltern verletzten, so der Ethikrat.


Quelle: tagesschau.de

Das sind genau die "Experten", die auch für den Unfug mit dem strafrechtlichen Verbot der Fortsetzung einer bereits eingeleiteten künstlichen Befruchtung im Falle des Todes des Vaters verantwortlich sind.



viewtopic.php?f=14&t=170&start=10
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