AlexRE hat geschrieben:
Da darf er sich selber auch dazuzählen.
AlexRE hat geschrieben:
Livia hat geschrieben:AlexRE hat geschrieben:
Da darf er sich selber auch dazuzählen.
AlexRE hat geschrieben:Livia hat geschrieben:AlexRE hat geschrieben:
Da darf er sich selber auch dazuzählen.
Leo Tolstoi? Was hat der denn mit schlechten Regierenden zu tun?
Sowohl unter dem Zarenregime als auch später unter der Sowjetherrschaft wurden die Tolstojaner wegen ihrer anarchistischen und radikal-pazifistischen Ideen verfolgt. George Woodcock schrieb über die russischen Tolstojaner: „Tausende von Menschen innerhalb und außerhalb Rußlands wurden seine [Tolstois] leidenschaftlichen Schüler und gründeten Tolstoi-Siedlungen, die auf einem kommunalen Wirtschaften und einem asketischen Leben beruhten.“ Laut Woodcock hielt sich bis in die 1920er Jahre hinein eine „aktive Tolstoi-Bewegung bis sie schließlich von den Bolschewisten zerschlagen wurde.“[5]
Die Ideen des Tolstojanismus hatten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts einen starken Einfluss auf Intellektuelle wie Pierre Ramus, John Ruskin oder Mohandas Gandhi. Auch in der frühen israelischen Kibbuz-Bewegung waren Tolstois Ansichten und Schriften, neben jenen von Anarchisten wie beispielsweise Gustav Landauer und Peter Kropotkin, wichtig und weit verbreitet.[6] In den Niederlanden waren im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert besonders viele tolstojanische Aktivisten engagiert, z. B. Felix Ortt, Année Rinzes de Jong und Lodewijk van Mierop. Oftmals waren sie Theologen und Pfarrer. Die niederländischen Tolstojaner gründeten Zeitschriften, Siedlungsprojekte, Gartenbaukolonien und Schulen und engagierten sich in Bereichen wie Antimilitarismus, Kriegsdienstverweigerung, libertärer Pädagogik,[7] Alkoholabstinenz und Vegetarismus. Die Aktivitäten waren so umfangreich, dass der Tolstojanismus in den Niederlanden zu dieser Zeit als soziale Bewegung bezeichnet wurde.[8]
Woodcock schreibt über den weltweiten Einfluss von Tolstois Ideen auf pazifistische und anarchistische Kreise, dass „[a]ußerhalb Rußlands […] Tolstoi mit Sicherheit die anarchistischen Pazifisten in den Niederlanden, Großbritannien und den Vereinigten Staaten [beeinflusste]. Viele britische Pazifisten des Zweiten Weltkrieges nahmen an neo-tolstoianischen Gemeinschaften teil, von denen allerdings nur wenige das Ende des Krieges erlebten.“ Das „vielleicht eindrucksvollste Beispiel tolstoianischen Einflusses in der heutigen westlichen Welt“ sieht Woodcock in der Catholic-Worker-Bewegung und in deren Gründerin Dorothy Day, dieser „fromme[n] Vertreterin des christlichen Anarchismus unserer Zeit“.[9]
Kritisiert wurden Tolstojaner oft als weltfremde Idealisten. Amos Oz schreibt zum Beispiel über aus Osteuropa nach Jerusalem emigrierte Tolstojaner:[10]
„Die Tolstojaner unseres Viertels (…) waren ausnahmslos alle fanatische Vegetarier, Weltverbesserer, Moralapostel, Freunde der Menschheit, Freunde eines jeden Lebewesens, von tiefem Naturempfinden durchdrungen, und sie alle sehnten sich nach dem Landleben.“
Von christlicher Seite kritisierte Wladimir Solowjow den Tolstojanismus als „Rechtsnihilismus“.[11]
:roll: Da darf er sich selber auch dazuzählen.
Seine Haltung führte ihn zu der Frage nach beständigen moralischen Werten, die er für sich mit dem Anspruch auf bedingungslose Nächstenliebe und radikale Gewaltlosigkeit beantwortete. Vor diesem Hintergrund galt Tolstoi in seinen späten Jahren als Vertreter eines religiös inspirierten Anarchismus; er lehnte allerdings die von Bewunderern entwickelte Ideologie des Tolstojanismus ab. Dabei hatte sein Werk als mit wegbereitend für die Revolution von 1905 gegolten. Sein Freund Wladimir Stassow schrieb ihm am 18. September 1906: „Ist die ganze gegenwärtige russische Revolution nicht etwa aus Ihrem feuerspeienden Vesuv hervorgeschossen?“
Kurz vor seinem Tod hatte ihm Mahatma Gandhi, der sich bereits in seiner Jugend auf Tolstoi bezogen hatte, sein kleines Buch Hind Swaraj („Indische Selbstverwaltung“) geschickt, eine Broschüre gegen den britischen Kolonialismus, in dem er nach Tolstois Grundsätzen das tugendhafte Leben ohne Besitz im Gegensatz zu den kapitalistischen Prinzipien von Wachstum und wirtschaftlichem Fortschritt propagiert und seine Satyagraha-Lehre eines gewaltlosen, aber aktiven Widerstands darlegt. Tolstoi hatte die Schrift gelesen und Gandhi in einem Brief ermutigt.
„Du Dummerchen“
Am Samstag vor genau 100 Jahren ist der gefeierte russische Autor Leo Tolstoi im Alter von 82 Jahren verstorben, nur zehn Tage, nachdem er sich von seiner langjährigen Ehefrau Sofja Andrejewna Tolstaja getrennt hatte. Nun liegt der Briefwechsel der beiden auf Deutsch vor - eine Lektüre, die Ihresgleichen sucht.
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Der 1828 geborene Graf Leo Nikolajewitsch Tolstoi war in jungen Jahren ein Schwerenöter. Einer Bäuerin hängte er ein Kind an. Wenn es etwas zu feiern gab, fehlte Tolstoi nie, zudem trank und spielte der zu Depressionen neigende Adelige exzessiv. Stets jedoch plagte ihn schlechtes Gewissen, weil seine moralischen Ansprüche eigentlich hoch waren. Zur Selbstkasteiung zog er gar mit der Armee in den Kaukasus-Krieg. Doch nichts half.
Neben bäuerlicher Arbeit hoffte er sich durch eine Heirat aus dem Dilemma zu retten und ging deshalb auf die Suche nach einer Frau. Im Alter von 34 ehelichte Tolstoi die 18-jährige Sofja. Sie entstammte einer befreundeten Arztfamilie, die im Kreml residierte. Es war die große Liebe für beide, und sie hielt trotz immenser Differenzen und Belastungen bis zuletzt kaum vermindert an.
Mit der Heirat wollte Tolstoi nicht nur das Lotterleben hinter sich lassen, sondern auch Lug und Trug, was dazu führte, dass er seine Frau mit vermeintlicher Ehrlichkeit quälte. Gleich zu Beginn der Beziehung gab er der verstörten 18-Jährigen seine Tagebücher zu lesen, in denen sämtliche Schweinigeleien minuziös aufgelistet waren. Sofja sollte sich nie ganz davon erholen. Nach der Familiengründung eröffnete er ihr dann, für die gemeinsamen Kinder kaum Liebe aufzubringen. Ein schwerer Schlag für die damals Zwanzigjährige, die dennoch, dem Wunsch ihres Gatten entsprechend, weiterhin im Abstand von ein bis zwei Jahren schwanger werden sollte.
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