Sozialgericht Berlin, Urteil vom 23.03.2015 - S 175 AS 15482/14
Urteil: Keine Hartz IV-Kürzung für Wurstverkäuferin auf Diät
Ein Wurstwarenbetrieb stellte seinen Mitarbeitern eine kostenlose Pausenverpflegung bereit. Einer Wurstverkäuferin, die aufstockendes Hartz-IV erhielt, war das Essen jedoch zu fett und kohlenhydratreich und verzichtete darauf. Trotzdem rechnete das Jobcenter eine Pauschale für die Pausenverpflegung als Einkommen an.
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Mit Urteil (Az. S 175 AS 15482/14) hat das Sozialgericht Berlin nach mündlicher Verhandlung der Klägerin Recht gegeben und die Bescheide des Jobcenters abgeändert. Die entsprechende Vorschrift der ALG II-Verordnung (§ 2 Abs. 5) zur Anrechnung von Verpflegung verstoße gegen höherrangiges Recht.
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Selbst aber wenn man die Wirksamkeit der Vorschrift unterstellen würde, hätte sie einschränkend ausgelegt werden müssen. Unter Beachtung des Selbstbestimmungsrechts und der allgemeinen Handlungsfreiheit der Leistungsbezieher könne eine Anrechnung von Verpflegung nur erfolgen, wenn sie auch tatsächlich verzehrt worden ist.
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http://www.rechtsindex.de/sozialrecht/5 ... -auf-diaetDer Fall ist ein gutes Beispiel dafür, dass jeder Richter eine verfassungswidrige RechtsVERORDNUNG ohne Umweg über das Bundesverfassungsgericht in die Tonne treten kann, während ein verfassungswidriges ParlamentsGESETZ nur mittels einer Richtervorlage vor dem BVerfG angegriffen werden kann. Auch die Bezugnahme auf Art. 2 GG ist vollkommen zutreffend.
Abgesehen davon hatte die Klägerin in dem konkreten Fall ernsthafte gesundheitliche Gründe, das angebotene Essen abzulehnen. Wenn sie aus weitergehenden gesundheitlichen Gründen eine besondere Diät bräuchte, müsste das Jobcenter nach
§ 21 Abs. 5 SGB II sogar für den finanziellen Mehrbedarf aufkommen. Im Kontext mit dieser Regelung erscheint die mit der Klage angegriffene Entscheidung geradezu als absurd.