Was ist bloß los?Geschrieben von:
Markus Schollmeyer Samstag, den 28. Juli 2012 um 16:17 Uhr
Ein Ehepaar verklagt einen Lehrer, weil der dem in der Schule betrunkenen Sohn eine Sechs gab. Uli Hoeneß fordert ein milderes Strafrecht für Fußballprofis und die Speerspitze des seriösen Journalismus Heribert Prantl fantasiert einen Teil eines Interviews mit Deutschlands höchstem Richter. Da braucht es keinen Amokläufer in einem Kino in Denver/USA, um zu fragen: Läuft noch alles normal oder ist das schon verrückt?
Wer regelmäßig die neuesten Nachrichten verfolgt, ist ja so einiges gewöhnt. Zuerst war es nur ein Bundespräsident, der sich gerne persönliche Vorteile zu nehmen schien. Da verwunderte es nicht wirklich, dass auch Ministerpräsident Mappus in den Verdacht einer persönlichen Begünstigung kam. Wer ehrlich ist, den hat auch der Fibor Zinsskandal nicht verwundert, schließlich erwartet man eine derartige Manipulation zum Nachteil der Gemeinschaft heute irgendwie von einem Banker. Zumindest, wenn er reich werden und so etwas gelten will. Die Geschichte von Gerhard Gribkowski und seinem Geschäftsfreund Bernie Ecclestone bestätigt das eindrucksvoll. Das nur ersterer in Haft ist, bleibt der Öffentlichkeit aber schon der erste Rätsel. Die FIFA ist ja in diesem Zusammenhang auch noch ein anschauliches Beispiel, schließlich hat es dort ja sein ganz eigenes System der Begünstigung. In der normalen Welt wäre sowas strafbar, aber normale Menschen veranstalten nun mal auch keine Fußball WM. Von dem Urteil des Bundesgerichtshofs, das die Korruption im Gesundheitswesen bei der Verschreibung von Medikamenten legalisiert, mag man dann schon gar nicht reden. Zu normal scheint das alles.
Klamauk und gefallene Helden
Wie billiger Klamauk kommt da die Klage eines Vaters daher, wenn er den Lehrer seines Sohnes vor Gericht zerrt, weil dieser sich erlaubt hat, dem Sohn des Klägers eine Sechs zu geben, als dieser alkoholisiert in der Schule erscheint. Da mag man noch belustigt den Kopf schütteln.
Aber wenn Uli Hoeneß, der ehrwürdige Verfechter des Werturteils, nach einem Strafrecht ruft, dass Profifußballer anders behandelt wie normale Straftäter, ist das schon mehr als auffällig und nicht mehr wirklich objektiv. Und wenn dann auch noch Heribert Prantl, der aufrichtige und unbestechliche Ermittler der Süddeutschen Zeitung und ehemalige Staatsanwalt, für ein Interview mit einem von Deutschlands höchstem Richtern einen Teil des Interviews – vorsichtig formuliert – an einen Ort verlegt, wo es niemals stattfand, muss man sich fragen, was denn eigentlich mittlerweile los ist. Beide waren in meinen Augen Leuchttürme der Aufrichtigkeit. Beide waren Vorbilder. Jetzt ist zumindest einer der beiden in meinen Augen ein gefallener Held.
Wie reagiert die Masse?Aber was machen eigentlich diejenigen, die den Schaden haben: Die Menschen. Die schauen lieber weg. Mit einer richtigen Sicht der Dinge anzuecken, ist heute ein etabliertes NoGo. Gott behüte, das machen schließlich alle, die durchkommen wollen. Fast wie im Mittelalter, als man die Willkür des Fürsten scheute.
Zu groß ist die Angst vor der Gefahr von Konsequenzen, man könnte ja auch mit einer richtigen Sicht der Dinge anecken. Nacktfotos sind da schon deutlich ungefährlicher. Wenn wieder ein Nacktfoto oder eine andere Indiskretion aus dem Privatleben eines Prominenten tauchen auf, ist kollektive Entrüstung angesagt. Schade ist das falsche Wort dafür, feige oder auch heuchlerisch trifft es wohl deutlich besser.
Haben wir also alle die Orientierung verloren? Gilt nur noch der persönliche Vorteil um jeden Preis. Dürfen wir uns wie die Junkies auf der Hatz nach Drogen verhalten, wenn wir unseren Vorteil verfolgen. Weil wir schließlich bloß nur dem Geld nachjagen anstatt Drogen zu kaufen? Vor dem Hintergrund des drohenden Kollapses der Eurozone, geplünderter Sozialsysteme und weltweiter Korruption mag man sich nicht mehr ausmalen, was noch kommen könnte, wenn es so bleibt.
Aber man soll die Hoffnung nicht aufgeben. Vielleicht kommen ja alle wieder zu Vernunft. Für die Gegenwart und die Zukunft wäre das gut.
http://www.freikopf.de/meinung/285-was-ist-bloss-los-