maxikatze hat geschrieben:Nennt man sowas nicht Nötigung, wenn mit Entlassung gedroht wird, weil er/sie wieder heiraten möchte?
Ich würde mich jedenfalls in der Situation des Arztes genötigt fühlen. Es können sich aber auch alle nichtkatholischen Steuerzahler und Krankenversicherten genötigt fühlen, mit ihren Zwangsabgaben eine katholische Moral in öffentlichen Einrichtungen wie Krankenhäusern mitzufinanzieren, die sich aus ihrer Sicht als Doppelmoral darstellt. Das Ganze ist ja typisch katholisch - doppelbödig. Kein Arzt oder auch Priester würde entlassen, weil er für uneheliche Kinder mit mehreren Frauen Alimente zahlt. Wer aber wieder heiratet und den Kinden damit eine Familie mit gesichertem rechtlichen Rahmen bietet, wird aus einer der geltenden verfassungsrechtlichen Werteordnung zuwiderlaufenden theologischen Dogmatik heraus künstlich und wahrheitswidrig (auch auf jede denkbare göttliche Wahrheit bezogen) auf einen niedrigen sittlich-moralischen Status heruntergelogen (also verleumdet, siehe
8. Gebot).
Deshalb verkennt das BVerfG hier, dass durch die Kündigung die Grenzen der der kirchlichen Sonderrechte überschritten sind:
(...)
Die konventionsrechtliche Neutralitätspflicht des Staates
in religiösen Angelegenheiten untersagt den staatlichen Stellen hierbei
ebenfalls eine eigenständige Bewertung und Gewichtung von
Glaubensinhalten. In bestimmten Ausnahmefällen ist der Staat hiervon
entbunden, insbesondere wenn die Loyalitätsobliegenheit oder deren
Gewichtung im Kündigungsfall gegen Grundprinzipien der Rechtsordnung
verstößt oder wenn sie im Ergebnis zu einer offensichtlichen Verletzung
eines anderen Konventionsrechts in seinem Kerngehalt führt.
5. Nach diesen Maßstäben verstößt das Urteil des Bundesarbeitsgerichts
vom 8. September 2011 gegen Art. 4 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art.
140 GG und Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV, da die bei der Anwendung des § 1
Abs. 2 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) vorgenommene Interessenabwägung
dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht der Beschwerdeführerin nicht in
dem verfassungsrechtlich gebotenen Umfang Rechnung trägt.
(...)
https://www.bundesverfassungsgericht.de/pressemitteilungen/bvg14-103.htmlWenn diese Rechte schon so weit gehen sollen, dass die Dogmen einer Religionsgemeinschaft über große Einrichtungen wie Krankenhäuser und Schulen vielen Andersgläubigen aufgenötigt werden können, dann müssen diese aufgenötigten Spielregeln wenigsten in sich stimmig sein und dürfen nicht wegen ihrer inneren Widersprüchlichkeit beliebiger Willkür Tür und Tor öffnen. Das absolute Willkürverbot des Grundgesetzes ist nämlich untrennbar mit dem Rechtsstaatsprinzip (
Art. 20 Abs. 3 GG) verbunden und deshalb unantastbar ( = "ewiges Verfassungsrecht",
Art. 79 Abs. 3 GG). Das gilt sogar für Verfassungsrichter.