Liebe Diskutanten,
man sollte sich nicht durch Sonderfälle die logische Systematik versauen lassen.
1. Dass Deutschland eine so extreme Exportnation ist, ist volkswirtschaftlich in dem Umfang nicht gesund und wird International zunehmend steigend für böses Blut sorgen, denn ganz falsch war Trump nicht. Das haben auch schon US-Vorgänger-Administrationen immer wieder angemerkt. Man sieht das im wandeln des Ansehens von China in der Welt: von Underdog, der den technischen-wirtschaftlichen Aufschwung schaffen konnte zum vom Erfolg betrunkenen Großkotz. Das Prinzip des Welthandels muss langfristig immer auf ausgeglichene Verhältnisse setzen, denn der ewige Verlierer widerspricht dem System. Warum hat man sonst das Griechenland-Theater gemacht, anstatt es einfach laufen zu lassen?
2. Umsatzsteuern werden doch weltweit immer auf das jeweilige Endprodukt erhoben und für denjenigen, für den es Rohstoff oder Teil der weiteren Fertigung ist, der bekommt die Steuer zurück. Wenn wir nicht immer den Konsumentenstandort meinen, wie wollen wir weiter unser Mehrwertsteuer-System rechtfertigen.
3. Wenn ich das richtig verstanden habe, gehen die Polit-Verwirrer nicht von der Umsatzsteuer auf das jeweils verkaufte Produkt aus, sondern der Summierung des Umsatzes am realen oder fiktiven Firmensitz und lassen da die großzügige Grenze 750 Millionen walten, damit möglichst viele davon befreit sind.
Mal ne Frage, wo werden exportierte Dinge besteuert und wie oft, wo greifen Import- oder Exportsteuern?
4. natürlich ist es überfällig, europäische Digitalfirmen zu schaffen, wie damals Airbus Industries. Das verringert aber nicht den Skandal der Briefkastenfirmen, der Sub...Sub...Sub-Unternehmen und die Steuer-Verschiebereien in „Steuer-Oasen“. Wenn Curacao allein nicht lebensfähig ist, dann sollten die Niederlande in den Subventionstopf der EU greifen und ihre überseeische Provinz direkt subventionieren lassen und nicht Firmen weltweit ein Schlupfloch für Steuer-Dumping dort eröffnen, nur weil die Karibik Piratentradition hat.
Ich sehe, die Diskussion ist schon weit vorangeschritten und ich komme nicht nach bei den mir unverständlichen Positionen. Mal weiter versuchen …
5. Wieso soll der Autoverkauf überhaupt etwas mit Digitalsteuer zu tun haben? Werden die jetzt schon als fahrende Computer gehandelt? Ist der Wert des Autoverkaufs in den USA (abzüglich der in den USA gefertigten aus deutschen Tochterwerken) größer als der Wert von amerikanischen Computer- und Internet-Produkten in Deutschland? Glaub ich nicht! Es ist eine korrupte Haltung, nur dann generellen Ordnungsprinzipien zuzustimmen, wenn man selbst davon nicht ausgenommen ist.
6. Wieso werden Computer- und Internet-Produkte nicht generell mit einer höheren Mehrwertsteuer belastet? Unterschiedliche Besteuerungen kennen wir doch schon lange mit reduzierter Mwst auf Lebensmittel, warum nicht 25% auf Digitalprodukte? Es gibt EU-Mitglieder (4), in denen der normale Mwst-Satz schon jetzt so hoch ist!!! Volkswirtschaftlich ist es ein Unsinn, Sektoren der Volkswirtschaft, die unter Druck sind, genauso hoch zu besteuern wie boomende Bereiche.
7. Wenn uns unsere europäische Städtebau-Kultur etwas bedeutet mit den unterschiedlichsten Läden im EG und der daraus resultierenden Attraktion, selbst wenn es nur Window-Shopping ist, dann müssen wir beschleunigt durch Corona ganz schnell handeln.
Natürlich kann man sich auch anderes vorstellen. Wohnungen und Büros in den ehemaligen Läden, Bestellungen im Internet, riesige Verteilknoten in der Periferie, aus der Tag und Nacht Heerscharen von Lieferfahrzeuge ausrücken um Bestellungen und Retouren zu transportieren. Wie öde ein Sparziergang durch ein reines Wohnquartier ist, kann wohl jeder beurteilen.
Zynismus an: In solch einer „Brave New World“ sollte der "Lieferando" dann auch gleich kostenlos „Soma“ mitliefern. Zynismus aus
PS.: in „Brave New World“ von 1932: „Utopien erscheinen realisierbarer als man früher glaubte. Wir finden uns mit einer neuartigen, besorgniserregenden Frage konfrontiert: Wie sollen wir ihre endgültige Verwirklichung verhindern? Utopien sind verwirklichbar. Das Leben marschiert ihnen entgegen. Und vielleicht beginnt eine neue Ära, in der Intellektuelle und die Bildungsschicht darüber nachdenken werden, wie man Utopien verhindern und zu einer nicht-utopischen Gesellschaft zurückkehren kann, weniger perfekt und dafür freier.“ – Nikolai Alexandrowitsch Berdjajew
Ist die Utopie der Totalen Digitalisierung auch solch ein Fall oder nur eine Kulturstufe wie die Industriealisierung?
PPS zu Livia: natürlich ist jeder Abstimmungsberechtigte gegen Steuererhöhungen, nur tags darauf fängt sein Gejammer an, was in seinem Staat/Kanton/Gemeinde nicht funktioniert und dringenst verbessert gehört.